Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweigerung einer vertraglich vereinbarten Abfindungszahlung wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Auskunftsanspruch gegen angestellten Rechtsanwalt bei einseitiger Mandantenbefragung gem. § 32 Berufsordnung für Rechtsanwälte
Leitsatz (amtlich)
Der aus einer Rechtsanwaltskanzlei ausscheidende angestellte Rechtsanwalt, mit dem eine Außensozietät bestanden hat, ist unter den Voraussetzungen des § 32 Berufsordnung für Rechtsanwälte berechtigt, die Befragung der Mandanten zur Fortführung eines Mandats durchzuführen.
Hat er eine solche Befragung ohne Wissen seiner Arbeitgeber einseitig durchgeführt, so ist er seinem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet, diesem die Adressaten eines an Mandanten gerichteten Anschreibens bekannt zu geben, ohne dass es darauf ankommt, ob dem Arbeitgeber Schadensersatzansprüche zustehen.
Normenkette
BGB § 242; Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) § 32
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Urteil vom 01.09.2000; Aktenzeichen 3 Ca 647/00) |
Tenor
Die Berufung des Klägers und die selbständige Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 01.09.2000 – 3 Ca 647/00 – werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens trägt der Kläger zu 3/8, die Beklagten tragen diese Kosten als Gesamtschuldner zu 5/8.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert: 30.000,– DM.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Auszahlung einer im Aufhebungsvertrag vereinbarten Abfindung sowie um Auskunftsansprüche der Beklagten.
Die Beklagten betreiben im Rahmen einer Sozietät eine Anwaltskanzlei in S2. Der Kläger war seit dem 15.07.1995 als angestellter Rechtsanwalt zu einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 11.000,– DM bei den Beklagten tätig. Er ist verheiratet und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. In den Sozietätsbriefkopf der Beklagten war er ohne Hinweis auf das Anstellungsverhältnis aufgenommen worden. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines am 29.03.2000 abgeschlossenen schriftlichen Aufhebungsvertrages der Parteien (Bl. 3 und 4 d.A.) am 31.03.2000. Der Aufhebungsvertrag enthielt u.a. die Bestimmung, dass der Kläger für den Verlust seines Arbeitsverhältnisses von der Sozietät eine Abfindung in Höhe von 15.000,– DM gemäß §§ 9, 10 KSchG, § 3 Nr. 9 EstG, fällig und zahlbar zum 30.04.2000, erhalten sollte. Außerdem kamen die Parteien überein, dass im übrigen mit dieser Vereinbarung alle gegenseitigen Ansprüche erledigt seien.
Bis zum 31.03.2000 war der Kläger noch für die Beklagten tätig. Noch unter dem 31.03.2000 verfasste er unter dem Briefkopf der Rechtsanwälte Dr. F1. und H1. ein Anschreiben an – nach Angaben des Klägers – insgesamt 25 Mandanten der Beklagten mit folgendem Inhalt:
„Sehr geehrter …
aufgrund der aus meiner Sicht sehr angenehmen und vertrauensvollen Zusammenarbeit in der Vergangenheit möchte ich mir erlauben, Ihnen mitzuteilen, dass ich seit dem 01.04.2000 meine berufliche Tätigkeit in Sozietät mit Herrn Rechtsanwalt Dr. H3. F1. fortsetze.
Herr Dr. F1., der seit 1988 in S2. als Rechtsanwalt tätig ist, befasst sich ebenfalls schwerpunktmäßig mit wirtschaftlichen Angelegenheiten, so dass die berufliche Zusammenarbeit eine günstige gegenseitige Ergänzung der fachlichen Ausrichtungen ebenso wie gegenseitige Vertretungsmöglichkeiten im Mandanteninteresse zur Folge hat.
Ich würde mich freuen, wenn Sie meinem Kollegen und mir auch zukünftig das Vertrauen für eine Zusammenarbeit entgegenbringen würden. Gerne sind wir bereit, auch in einem persönlichen Gespräch zu möglicherweise Ihrerseits bestehenden Fragen hinsichtlich unserer fachlichen Ausrichtung, unserer Unternehmensphilosophie sowie der Abwicklung laufender Mandate Stellung zu nehmen. Unsere Telefon- und Telefax-Nummer entnehmen Sie bitte dem Briefkopf. Die Kanzleiräume befinden sich im ersten Stock des sog. D2x-Hauses in der K1. S1. (schräg gegenüber dem neuen Gebäude der L1.).
Einer Rücksprache mit Ihnen gerne entgegensehend verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
RAe. Dr. F1. & H1.
(C1. H1.) Rechtsanwalt”
Das Schreiben wurde vom Kläger am 01.04.2000 zur Post gegeben. Empfänger waren u.a. die Familie J2., die Firma E1. und die Firma RAmassivholz. Diese waren bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses des Kläger ständige Mandanten der Beklagten. Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses bearbeite der Kläger verschiedene, insbesondere arbeitsrechtliche Angelegenheiten für diese. Nachdem die Beklagten über Mandanten von diesem Schreiben Kenntnis erlangt hatten, forderten sie den Kläger noch am 05.04.2000 zur Unterlassung und Auskunftserteilung auf. Ebenfalls am 05.04.2000 erhoben sie wegen des Verhaltens des Klägers Beschwerde bei der Rechtsanwaltskammer für den OLG Bezirk Hamm (zum Inhalt vgl. Bl. 62–63 d.A.). Dem Kläger teilten sie mit Schreiben vom 14.04.2000 mit, dass durch sein Verhalten die Grundlage für die im Aufhebungsvertrag vereinbarte ...