Die Revision wird nicht zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzverfahren. Interessenausgleich mit Namensliste. Betriebsratsanhörung. Mängel der internen Willensbildung. Geltendmachung von Unwirksamkeitsgründen einer Insolvenzverwalterkündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 113 InsO schränkt die Möglichkeit, in erster Instanz nicht vorgebrachte Unwirksamkeitsgründe im Berufungsverfahren geltend zu machen, nicht ein. Der Arbeitnehmer muss sich nicht bereits in der Kündigungsschutzklage formelhaft auf sämtliche denkbaren Unwirksamkeitsgründe berufen, erforderlich ist lediglich die rechtzeitige Erhebung einer Kündigungsschutzklage.

2. Hat der Arbeitgeber das Verfahren zur Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß eingeleitet, sind Mängel in der internen Willensbildung des Betriebsrates grundsätzlich unerheblich. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Arbeitgeber für eine geschäftsordnungswidrige oder gar unterlassene Beschlussfassung des Betriebsrats konkrete Anhaltspunkte hat.

 

Normenkette

InsO § 125; KSchG § 1; BetrVG § 102; InsO § 113

 

Verfahrensgang

ArbG Bocholt (Urteil vom 17.10.2003; Aktenzeichen 2 Ca 1436/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 17.10.2003 – 2 Ca 1436/03 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der am 17.03.1947 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 19.05.1980 bei der Firma E3xx GmbH & Co.KG, die zu Beginn des Jahres 2003 in N2xx GmbH & Co.KG umfirmierte, als Arbeiter bei einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen in Höhe von zuletzt ca. 2.050,00 EUR monatlich beschäftigt. Die Firma N2xx GmbH & Co.KG produzierte am Standort C1xxxxxx Heimtextilien, unter anderem Gardinen- und Dekostoffe, und beschäftigte zuletzt ca. 50 Arbeitnehmer. Bei ihr war ein Betriebsrat gewählt.

Auf Antrag des Klägers vom 27.12.2002 stellte das Versorgungsamt Münster mit Bescheid vom 26.03.2003 (Bl. 52 f. d.A.) einen Grad der Behinderung von 30 fest. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit dem Ziel der Feststellung eines Grades der Behinderung von zumindest 50, der mit Bescheid der Bezirksregierung Münster vom 26.05.2003 (Bl. 54 f. d.A.) als unbegründet zurückgewiesen wurde. Nunmehr verfolgt der Kläger vor dem Sozialgericht Münster unter dem Aktenzeichen S 11 S B 76/03 sein Begehren weiter.

Mit Beschluss vom 01.05.2003 eröffnete das Amtsgericht Münster über das Vermögen der Firma N2xx GmbH & Co.KG das Insolvenzverfahren und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. Unter dem 27.05.2003 schloss der Beklagte mit dem Betriebsrat der Insolvenzschuldnerin einen Interessenausgleich, dem – durch Heftklammer fest verbunden – eine von den Betriebspartnern gesondert unterzeichnete Namensliste anliegt, auf der der Kläger unter der laufenden Nummer 12 aufgeführt ist. Wegen der Einzelheiten des Interessenausgleichs einschließlich der Namensliste wird auf Bl. 36 – 43 d.A. Bezug genommen. Ebenfalls unter dem 27.05.2003 schlossen die Betriebspartner einen Sozialplan zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der von der Betriebsänderung/Kündigung betroffenen Arbeitnehmer. Wegen seiner Einzelheiten wird auf Bl. 44 – 49 d.A. verwiesen.

Mit Schreiben vom 28.05.2003, welches dem Kläger am 30.05.2003 zuging, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Hinweis auf die Kündigungsfrist nach § 113 Abs. 1 Ins0 und den geschlossenen Interessenausgleich mit Namensliste zum 31.08.2003 und stellte den Kläger mit sofortiger Wirkung widerruflich von der Arbeitspflicht frei. Das Integrationsamt wurde vor Ausspruch dieser Kündigung nicht beteiligt. Hiergegen erhob der Kläger mit Klageschrift vom 02.06.2003 Feststellungsklage, die am 16.06.2003 beim Arbeitsgericht Bocholt einging.

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung sei seiner Auffassung nach sozial ungerechtfertigt. Bestritten werde, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sei. Die Kündigung könne schon deshalb keinen Bestand haben, da der Beklagte die Zustimmung des Integrationsamtes nicht eingeholt habe.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 28.05.2003 nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die soziale Rechtfertigung der Kündigung ergebe sich bereits aus § 125 Abs. 1 Ins0 in Verbindung mit § 1 KSchG. Der Kläger habe weder im Hinblick auf die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Ins0 zum Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse Sachvortrag bringen können, der diese Vermutung widerlege, noch habe er im Hinblick auf § 125 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Ins0 Tatsachen dargetan, die den Schluss auf eine grobe Fehlerhaftigkeit zuließen. Der besondere Kündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX greife nicht ein, da der Kläger bei einem Grad der Behinderung von 30 nicht als schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX anzusehen sei.

Durch Urteil vom 17.10.2003 hat das Arbeitsgeric...

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