Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. Direktionsrecht. Rechtsmissbrauch. Eingruppierung
Leitsatz (amtlich)
Ob eine Tätigkeit von einem Angestellten nur vorübergehend auszuüben ist, bestimmt sich nicht danach, wie lange der Angestellte die Tätigkeit tatsächlich ausübt, sondern nach dem bei ihrer Übertragung zum Ausdruck gekommenen Willen des Arbeitgebers. Die nur vorübergehende Übertragung kann sich aus der ausdrücklichen Erklärung aber auch aus den erkennbaren Umständen ergeben.
Die nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 BAT darf als tarifvertragliches Gestaltungsmittel nicht funktionswidrig verwendet werden. Sie bedarf eines sachlichen Grundes für die Übertragung selbst und für die Dauer der Übertragung. Bei der Übertragung von Daueraufgaben liegt ein solcher sachlicher Grund nicht vor.
Hält ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes generell während der gesamten Dauer der Ausbildung eines Regierungsassistentenanwärters eine Stelle im mittleren Dienst für diesen frei, so handelt es sich um die Erledigung von Daueraufgaben, wenn er die auf dieser Stelle anfallenden Tätigkeiten einem Angestellten vorübergehend überträgt.
Normenkette
BGB §§ 242, 315 Abs. 1, 3; BAT §§ 22, 24
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Urteil vom 24.01.2001; Aktenzeichen 4 Ca 274/00) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 24.01.2001 – 4 Ca 274/00 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden dem beklagten Land auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende tarifliche Eingruppierung der Klägerin.
Die am 01.02.12xx geborene Klägerin hat eine Berufsausbildung als Arzthelferin erfolgreich 1978 abgeschlossen. Seit dem 26.03.1979 ist sie als Verwaltungsangestellte in dem Versorgungsamt D3xxxxxx tätig. Seit dem 01.12.1985 bezieht sie eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe VI b BAT/BL.
Zunächst wurde die Klägerin als Zuarbeiterin in der Rentengruppe 9 des Versorgungsamts eingesetzt.
In der Zeit von Mai 1994 bis Mai 1996 nahm die Klägerin mit Erfolg an einer Fortbildungsmaßnahme teil, die inhaltlich abgestellt war auf einen künftigen Einsatz in Tätigkeiten des mittleren Dienstes (s. Teilnahmebescheinigung vom 31.05.1996, Bl. 75 d.A.).
Durch Verfügung vom 14.08.1996 (Bl. 76 d.A.) teilte das Versorgungsamt D3xxxxxx der Klägerin u.a. Folgendes mit:
„Betr.: Einarbeitung von Angestellten in eine höherwertige Tätigkeit
Sehr geehrte Frau B3xxxxxx,
mit sofortiger Wirkung setze ich Sie unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs zur Einarbeitung unter Aufsicht und Anleitung als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes ein. Für die Zeit der Einarbeitung werden Sie der Abteilung 3 – SER 8 – Herrn Regierungsoberinspektor Z1xx zugewiesen.
Ich bitte Sie, sich mit allen Aufgaben, die für eine Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes anfallen, vertraut zu machen.
Ihre Aufgaben ersehen Sie aus dem beigefügten Geschäftsverteilungsplan, Ziffer 5, für die Abteilung 3 „Schwerbehindertengesetz” für die Zeit bis zur Einführung eines neuen DV-Verfahrens (Übergangszeit).
Das Zeichnungsrecht für Sachbearbeiter des mittl. Dienstes ist mit dieser Einarbeitungsphase nicht verbunden.
Im Übrigen teile ich Ihnen mit, dass die Übertragung der Tätigkeit auf Dauer nur nach Maßgabe freier und besetzbarer Stellen der Vergütungsgruppe V b/V c und auf Dauer freier Dienstposten erfolgen kann.”
Die Einarbeitung erfolgte bis zum 31.07.1997.
In der Zeit vom 01.08.1997 bis zum 27.04.1999 wurde die Klägerin als Sachbearbeiterin im Fachdienst der Abteilung Schwerbehindertenrecht eingesetzt unter Zahlung einer persönlichen Zulage nach § 24 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 BAT.
Die Klägerin nahm hier folgende Tätigkeiten wahr:
1. Bearbeitung von Anträgen nach §§ 3, 4 SchwbG auf Feststellung einer Behinderung, des Grades der Behinderung (GdB) und weiterer gesundheitlicher Merkmale sowie Ausweisausstellung Erstanträge) |
55 % Anteil an der Gesamtarbeitszeit |
2. Bearbeitung von Änderungsanträgen (§ 48 SGB X) |
35 % Anteil an der Gesamtarbeitszeit |
3. Bearbeitung von sonstigen Ausweis- und Beiblattangelegenheiten |
10 % Anteil an der Gesamtarbeitszeit |
Wegen der Einzeltätigkeiten und der Bewertung der Arbeitsvorgänge wird auf die von dem beklagten Land gefertigte Arbeitsplatzbeschreibung Stand 02/01 verwiesen.
Die Parteien sind übereinstimmend der Auffassung, dass diese Tätigkeiten den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT/BL entsprechen.
Die Übertragung dieser Aufgaben erfolgte aufgrund von vier Verfügungen des beklagten Landes.
Mit Schreiben vom 23.07.1997 (Bl. 5 d.A.) teilte das beklagte Land der Klägerin u.a. Folgendes mit:
„hiermit übertrage ich Ihnen mit Wirkung ab 01.08.1997 unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs die den Merkmalen der Vergütungsgruppe V c – Fallgruppe 1 a – des Teils I der Anlage 1 a zum BAT entsprechende Tätigkeit einer Sachbearbeiter...