Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. außerordentlich. ordentlich. verhaltensbedingt. Sachbeschädigung. Spind. Beschädigung. Schutz. Arbeitskollege
Leitsatz (redaktionell)
1. Es kommt eine außerordentliche Kündigung in Betracht, wenn Eigentums- bzw. Vermögensdelikte zu Lasten anderer Arbeitnehmer begangen werden.
2. Hat der Arbeitnehmer mit beträchtlicher krimineller Energie einen im Eigentum seines Arbeitgebers stehenden Spind vorsätzlich so beschädigt, dass ein Austausch erfolgen musste, kommt eine ordentliche Kündigung in Betracht.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Urteil vom 26.10.2010; Aktenzeichen 5 Ca 1360/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 26.10.2010 – 5 Ca 1360/10 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.05.2010 nicht aufgelöst worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger ½ und die Beklagte ½ zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen und hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen, arbeitgeberseitigen Kündigung; der Kläger begehrt seine Weiterbeschäftigung.
Der am 25.06.1977 geborene, ledige Kläger trat mit Wirkung ab 01.09.1995 in die Dienste der Beklagten, einem Unternehmen mit ca. 1.750 Arbeitnehmern. Er arbeitete zuletzt als Anlagenführer im Bereich Fertigung zu einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.857,82 EUR.
In der Vergangenheit tauschte der Kläger mit seinem Arbeitskollegen P1 regelmäßig Handyzeitungen aus, wobei es zumeist so war, dass Letzterer die Zeitschriften erworben und dem Kläger zur Verfügung gestellt hatte.
Am 05.05.2010 kam der Kläger in der um 13.30 Uhr beginnenden Spätschicht zum Einsatz. Da er in der Pause etwas zu lesen haben wollte, brach er mit Hilfe eines Schraubenziehers den Spind des Kollegen P1 auf, der seine Arbeit in der Frühschicht um 13.30 Uhr beendet hatte. Nachdem der Kläger in dem Spind keine Handyzeitung gefunden hatte, machte er die Tür wieder zu; diese ließ sich aber nicht mehr abschließen.
Am Folgetag meldete der Arbeitnehmer P1 der Beklagten, dass man seinen Spind, in dem sich u.a. Tabletten befanden, aufgebrochen habe. Anschließende Recherchen der Beklagten ergaben, dass der Arbeitnehmer H1 den Kläger bei der gewaltsamen Öffnung des Spinds beobachtet hatte.
Dieser hatte nach Verrichtung der Spätschicht am 06.05.2010 einen bewilligten Erholungsurlaub bis zum 14.05.2010 angetreten.
Die Beklagte, die zunächst befürchtet hatte, der Kläger habe wegen einer Suchterkrankung im Spind nach Tabletten bzw. Drogen gesucht, versuchte den Sachverhalt in der Folgezeit weiter aufzuklären und forderte den Kläger mit Schreiben vom 10. und 11.05.2010 vergeblich auf, zu Gesprächen im Betrieb zu erscheinen.
Am Montag, dem 17.05.2010, nach der Urlaubsrückkehr kam es dann zu einer Unterredung mit dem Kläger. Darin räumte er ein, den Spind aufgebrochen zu haben und bot an, den Schaden zu begleichen, was durch die Beklagte abgelehnt wurde. Inzwischen ist der Spind mit einem Neuwert von ca. 150,00 EUR ausgetauscht worden.
Am 18.05.2010 hörte die Beklagte den im Betrieb bestehenden Betriebsrat dazu an, das Arbeitsverhältnis „fristlos mit sofortiger Wirkung” und „hilfsweise fristgemäß” aufzukündigen (Bl. 42 ff. d. A.).
Mit Schreiben vom 21.05.2010 erhob der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken und widersprach einer ordentlichen Kündigung (Bl. 6 f. d. A.).
Daraufhin sprach die Beklagte mit Schreiben vom 25.05.2010 die fristlose und mit weiterem Schreiben vom 27.05.2010 die fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus (Bl. 4 f. d. A.).
Gegen deren Wirksamkeit wendet sich der Kläger mit der Klage.
Er hat darauf hingewiesen, das Schloss des Spinds habe sich ohne Gewalteinwirkung leicht öffnen lassen. Allerdings habe ihm klar sein müssen, dass er durch sein Handeln einen Schaden verursachen würde. Diesen Fehler bereue er zutiefst. Entscheidend sei aber, dass er keine Absicht gehabt habe, etwas zu entwenden. Ihm habe also jegliche kriminelle Energie gefehlt.
Im Übrigen trage sein Arbeitskollege P1 ihm sein Verhalten nicht nach. Wäre der Vorarbeiter M2 nicht urlaubsabwesend gewesen, hätte man abteilungsintern eine Lösung angestrebt.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung vom 25.05.2010 noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.05.2010 beendet worden ist;
- im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Industriemechaniker weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, das Öffnen des ...