Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame Befristung des Arbeitsverhältnisses einer Lehrkraft für besondere Aufgaben an einer staatlichen Universität bei Überschreitung der Befristungshöchstgrenze. Ausschluss der Arbeitgeberin mit der Geltendmachung von Befristungsgründen bei unterlassener Unterrichtung der Personalvertretung. Berücksichtigung von Promotionszeiten bei Einschreibung an ausländischer Universität und Wechsel des Promotionsthemas

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einordnung einer Lehrkraft für besondere Aufgaben an einer staatlichen Universität als wissenschaftliches Personal?

2. Streit um die Wirksamkeit einer Befristung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG:

a. Berücksichtigung von Befristungsgründen im Prozess, die dem Personalrat nicht wenigstens typologisch mitgeteilt wurden?

b. § 2 Abs. 1 Satz 2 2. HS WissZeitVG: Berücksichtigung von Zeiten, in denen ein Promotionsverfahren an einer ausländischen Universität begonnen, aber nicht zu Ende geführt wurde?

Berücksichtigung von Zeiten, in denen ein Promotionsverfahren an einer inländischen Universität begonnen, aber nicht abgeschlossen wurde?

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Begriff des wissenschaftlichen Personals ist in § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG eigenständig und abschließend geregelt. Es kommt deshalb nicht auf Begriffsbezeichnungen oder Zuordnungsdefinitionen nach landeshochschulrechtlichen Regelungen an.

2. Die Befristung von Arbeitsverträgen ist gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG NW mitbestimmungspflichtig. Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW kann die Abrede nur mit Zustimmung des Personalrats erfolgen.

3. Beantragt die Arbeitgeberin die Zustimmung des Personalrats zu einer Befristungsabrede, muss sie ihn gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 LPVG NW unterrichten. Die Arbeitgeberin genügt ihrer Unterrichtungspflicht, wenn der Sachgrund der Befristung für den Personalrat nach seiner Art hinreichend deutlich wird.

4. Ist der Personalrat nicht von der Absicht der Arbeitgeberin unterrichtet worden, die Befristung (auch) auf § 2 Abs. 2 WissZeitVG (Drittmittelförderung) zu stützen, hat das zur Folge, dass lediglich die sachgrundlose Befristung nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist. Die Arbeitgeberin ist damit gehindert, andere die Befristung rechtfertigenden Tatbestände (auch nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz) im Prozess nachzuschieben.

5. Zu den für § 2 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 WissZeitVG maßgeblichen Promotionszeiten zählen alle Zeiträume bis zum Abschluss der Promotion, in denen das Arbeitsverhältnis der wissenschaftlichen Mitarbeiterin auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG befristet war, und zwar unabhängig davon, ob zu Beginn der Tätigkeit bereits eine Promotion beabsichtigt war oder nicht. Es ist auch nicht erforderlich, dass eine Promotion sofort mit Beginn der Tätigkeit aufgenommen wird.

6. Der Anrechnung von Promotionszeiten im Rahmen des § 2 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 WissZeitVG steht nicht entgegen, dass die wissenschaftliche Mitarbeiterin einen Teil ihrer Promotionszeit an einer ausländischen Universität verbracht hat.

7. Der Abbruch eines Promotionsvorhabens führt nicht dazu, dass die bis dahin in Anspruch genommenen Promotionszeiten nicht im Rahmen des § 2 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 WissZeitVG anzurechnen sind, denn auch die Auseinandersetzung mit dem nicht zu Ende geführten Thema dient der wissenschaftlichen Qualifikation.

8. Bei Wechsel des Promotionsthemas sind zur Berechnung der Befristungshöchstgrenze im Rahmen des § 2 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 WissZeitVG die Promotionszeiten für das ursprüngliche und für das neue Thema zusammenzurechnen. Ob eine Zeit zwischen dem endgültigen Abbruch des Erstthemas und dem Beginn des Zweitthemas nicht in die Berechnung der Promotionszeit einzufließen hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

 

Normenkette

LPVG NW § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2 S. 2, Abs. 2, § 72 Abs. 1 Nr. 1; WissZeitVG § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 S. 2 Hs. 2, Abs. 2, 4; LPVG NW § 66 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Entscheidung vom 10.03.2017; Aktenzeichen 4 Ca 1759/16)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 10.03.2017 - 4 Ca 1759/16 - wird unter Klarstellung wie folgt zurückgewiesen:

Die Beklagte wird verurteilt,

an die Klägerin 4.516,94 Euro brutto abzüglich 1.643,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.873,54 Euro seit dem 01.11.2016, weitere 6.775,41 Euro brutto abzüglich 1.643,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.132,01 Euro seit dem 01.12.2016, weitere 4.516,94 Euro brutto abzüglich 1.643,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.873,54 Euro ab dem 01.01.2017, weitere 4.516,94 Euro brutto abzüglich 1.643,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.873,54 Euro ab dem 01.02.2017 und weitere 2.972,44 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2017 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des ...

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