Die Revision wird zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilzeit. Verteilung der Arbeitszeit. nachträgliche Änderung der durch Urteil erstrittenen Arbeitszeitverteilung. Rechtskraft. rechtskraftergänzende Präklusion. neue Tatsachen
Leitsatz (amtlich)
Änderung der gerichtlich erstrittenen Verteilung der Arbeitszeit gem. § 8 Abs. 5 S. 4 TzBfG – Präklusion –
- Wird der Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Ablehnung eines Teilzeitwunsches gem. § 8 TzBfG verurteilt, die verkürzte Arbeitszeit in bestimmter Weise festzulegen, so wird gem. § 894 ZPO eine entsprechende Weisung des Arbeitgebers zwar erst mit Rechtskraft des Urteils, jedoch mit Wirkung zum Tage der Ablehnung des Verteilungswunsches fingiert. Dies entspricht der materiellrechtlichen Lage, nach welcher die sachliche Berechtigung des Teilzeitverlangens auf diesen Zeitpunkt hin zu beurteilen ist und hat zugleich zur Folge, dass eine zwischen den Instanzen erklärte neue Weisung des Arbeitgebers von der Rechtskraft des ersten Urteils nicht erfasst wird.
- Eine Änderung der rechtskräftig erstrittenen Verteilung der Arbeitszeit gem. § 8 Abs. 5 S. 4 TzBfG kann nur auf Tatsachen gestützt werden, welche zeitlich nach der Ablehnung des früheren Verteilungswunsches entstanden sind. Dies folgt – entsprechend den Regeln der sog. Trotzkündigung – aus Gründen der rechtskraftergänzenden Präklusion bei der wiederholten Ausübung von Gestaltungsrechten.
Normenkette
TzBfG § 8 Abs. 5 S. 4; ZPO § 322
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Teilurteil vom 29.07.2004; Aktenzeichen 1 Ca 305/04) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 29.07.2004 – 1 (4) Ca 305/04 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen
Tatbestand
Die Parteien streiten, nachdem die Klägerin in einem Vorprozess wegen eines Teilzeitbegehrens gemäß § 8 TzBfG erfolgreich die von ihr gewünschte Verteilung der Arbeitszeit mit einem Arbeitsbeginn ab 8.00 Uhr erstritten hat, erneut um die zeitliche Lage der Arbeitszeit aufgrund einer erneuten – auf § 8 Abs. 5 S. 4 TzBfG gestützten – arbeitgeberseitigen Weisung.
Die Beklagte unterhält ein Unternehmen des Groß- und Einzelhandels mit ca. 180 Arbeitnehmern, wovon im Wareneingang 18 Arbeitnehmer – davon 2 Arbeitnehmer in Teilzeit – und im Versand 30 Arbeitnehmer – davon 4 Arbeitnehmer in Teilzeit – eingesetzt sind. Die im Jahre 1970 geborene, verheiratete und gegenüber zwei minderjährigen Kindern unterhaltspflichtige Klägerin war in der Vergangenheit als Vollzeitkraft für die Beklagte tätig und in der Versandabteilung im Lager eingesetzt. Für die Zeit nach ihrem – bis zum 08.06.2002 dauernden – Erziehungsurlaub hatte die Klägerin die Verringerung ihrer Arbeitszeit auf wöchentlich 20 Stunden mit einer Verteilung der Arbeitszeit von 8.00 bis 12.00 Uhr beantragt. Nachdem sich die Beklagte hinsichtlich der gewünschten Arbeitszeitverteilung auf entgegenstehende betriebliche Gründe berufen und wegen fehlender entsprechender Beschäftigungsmöglichkeiten eine betriebsbedingte Kündigung zum 30.09.2002 ausgesprochen hatte, hat das Arbeitsgericht Bocholt im Verfahren 1 Ca 1659/02 antragsgemäß die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt und die Beklagte verurteilt, die Verteilung der Arbeitszeit einschließlich der Pausen auf montags bis freitags von 8.00 Uhr morgens bis 12.15 Uhr festzulegen. Berufung (LAG Hamm, Urteil vom 15.01.2003 – 2 Sa 1393/02) und Revision (BAG, Urteil vom 16.03.2004 – 9 AZR 323/03) der Beklagten sind erfolglos geblieben.
Noch vor Verkündung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 27.01.2004 (Bl. 5 d.A.) mit, mit Wirkung ab dem 01.03.2004 beginne die Arbeitszeit wieder um 6.00 Uhr. Das betreffende Schreiben hat folgenden Wortlaut:
„Sehr geehrte Frau B3xxxx,
gemäß § 8 Abs. 5 Satz 4 TzBfG kann der Arbeitgeber die festgelegte Verteilung der Arbeitszeit wieder ändern, wenn das betriebliche Interesse daran das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung erheblich überwiegt und der Arbeitgeber die Änderung spätestens einen Monat vorher angekündigt hat. Dieses können Sie auch ausdrücklich im Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15.01.2003 nachlesen.
Die betrieblichen Interessen bestehen darin:
dass wegen der Ungleichbehandlung – insbesondere hinsichtlich der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer – der abweichende Arbeitsbeginn (6.00 Uhr statt 8.00 Uhr) den Arbeitsfrieden beeinträchtigt,
darüber hinaus ist durch die „starre Vereinbarung” – insbesondere anderen Teilzeitkräften – die Möglichkeit erheblich erschwert worden in Ausnahmefällen ebenfalls später beginnen zu können, da Sie eine Sonderregelung für sich zu 100% in Anspruch nehmen. Die anderen Teilzeitarbeitskräfte sind daher gezwungen Urlaubstage zu opfern.
Wegen der einmonatigen Frist (s.o.) bedeutet das für Sie, dass ab dem 01. März 2004 die Arbeit wieder um 6.00 Uhr beginnt.
…”
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug neben formellen Einwänden im Wesentlichen geltend gemacht, für eine Neufestlegung der Arbeitszeit fehle es an sachl...