Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässige Differenzierung bei Höhe der Zuschläge für Nachtarbeit innerhalb und außerhalb des Schichtsystems. Kein Verstoß gegen Art. 3 GG wegen unterschiedlich hohen Nachtarbeitszuschlägen
Leitsatz (redaktionell)
Die unterschiedlich hohen Zuschläge für Nachtarbeit innerhalb und außerhalb des Schichtsystems (25 bzw. 50 %) bewegen sich innerhalb des Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG und verstoßen wegen Vorliegen eines sachlichen Grundes auch nicht gegen Art. 3 GG.
Normenkette
ArbZG § 2 Abs. 3, § 6 Abs. 5; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 18.12.2019; Aktenzeichen 2 Ca 1613/19) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 18.12.2019 - 2 Ca 1613/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Leistungsklage darüber, ob der isoliert betrachtet höhere tarifliche Nachtarbeitszuschlag, der für die außerhalb eines Schichtsystems geleistete Nachtarbeit vorgesehen ist, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung klägerseits auch dann beanspruchen kann, wenn die Nachtarbeit im Rahmen der anderweitig zuschlagsbegünstigten regelmäßigen Schichtarbeit geleistet wird.
Die Klägerin ist seit dem 2. Dezember1992 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Ernährungsindustrie, als gewerbliche Arbeitnehmerin in der Produktion beschäftigt. Die Beklagte ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Ernährungsindustrie Nordrhein-Westfalen (AEN). Die klägerische Partei gehört der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) an. Auf das Arbeitsverhältnis gelangt Kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie, Essigindustrie, Senfindustrie für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2004, in Kraft getreten am 1. Januar 2005, zur Anwendung (im Folgenden: MTV). Gemäß dem zwischen den Tarifvertragsparteien für die Branche und Region begleitend geschlossenen Entgelttarifvertrag vom 14. Mai 2018 betrug der Bruttostundenlohn der klagenden Partei, soweit vorliegend von Bedeutung, bis einschließlich März 2019 zunächst 14,64 €, ab dem 1. April 2019 dann 15,00 €.
Der angesprochene MTV lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 3 Arbeitszeit
[...]
III. Zusätzliche Regelungen zur Arbeitszeit
[...]
6. Bezahlte Essenspause bei Zwei- bzw. Drei-Schicht-System
In Betrieben, in denen im Zwei- bzw. Drei-Schicht-System gearbeitet wird, muss den Arbeitnehmern, die aus betrieblichen Gründen wegen ununterbrochenen Fortgangs der Arbeit ihren Arbeitsplatz nicht verlassen können, eine bezahlte Essenspause von 30 Minuten innerhalb der Arbeitszeit gewährt werden.
[...]
§ 4 Alters- und Schichtfreizeit
[...]
2. Schichtfreizeit
Arbeitnehmer, die ständig im Drei-Schicht-Wechsel arbeiten, erhalten für je 25 geleistete Nachtschichten in diesem System eine Freischicht.
Arbeitnehmer, die im Zwei-Schicht-Wechsel arbeiten, erhalten nach diesem System für je 55 geleistete Spätschichten eine Freischicht.
Wechselschichtarbeit liegt vor, wenn ein regelmäßiger Wechsel des Schichtbeginns und damit der zeitlichen Lage der Schicht erfolgt und die Spätschicht mindestens bis 20.00 Uhr dauert.
§ 5 Mehrarbeit, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit1. Begriffsbestimmung
a) Zuschlagpflichtige Mehrarbeit ist die über die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeit mit Ausnahme der Stunden, die nach § 3 I, Ziffer 3 a) für Freizeitausgleich angesammelt werden.
Bei abweichender Arbeitszeitregelung (§ 3 II) liegt zuschlagpflichtige Mehrarbeit vor, wenn die mit dem Betriebsrat vereinbarte regelmäßige werktägliche Arbeitszeit überschritten wird.
b) Mitbestimmung des Betriebsrates und Ausdehnung der Arbeitszeit
Mehrarbeit ist nach Möglichkeit zu vermeiden. Sie soll nur vorübergehend in Fällen dringender betrieblicher Notwendigkeit im Einvernehmen mit dem Betriebsrat angeordnet werden, soweit es sich nicht um einzelne Arbeitnehmer und nicht vorhersehbare Fälle handelt.
In diesen Fällen ist der Betriebsrat unverzüglich zu benachrichtigen.
Ist hiernach aber Mehrarbeit unvermeidlich, so kann die Arbeitszeit bis zu 10 Stunden am Tage ausgedehnt werden und ist zu leisten. Die gesetzlichen Schutzbestimmungen für Frauen und Jugendliche sind zu beachten. Bei der Festsetzung von Mehrarbeit muss weitgehend auf die persönlichen und kulturellen Bedürfnisse der Arbeitnehmer Rücksicht genommen werden.
c) Nachtarbeit
Nachtarbeit ist die in der Zeit von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr geleistete Arbeit, soweit es sich nicht um Schichtarbeit handelt.
[...]
2. Zuschläge
Für Mehrarbeit, Nachtarbeit, Schichtarbeit in der Nacht, Sonntags- und Feiertagsarbeit sind folgende Zuschläge zu zahlen:
a) Für Mehrarbeit 25 %ab der 3. Mehrarbeitsstunde am Tage 30 %
Auf Wunsch der Arbeitnehmer sind die Mehrarbeit und/oder Mehrarbeitszuschläge im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber in Zeit zu vergüten.
Bei Pförtnern und Wächtern, die kein...