Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit unterschiedlich hoher Nachtzuschläge nach Manteltarifvertrag. Keine Schlechterstellung durch Unterscheidung zwischen regelmäßiger Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit. Weiter Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien bei Gewährung von Nachtzuschlägen
Leitsatz (redaktionell)
Die Differenzierung in der Höhe des Nachtzuschlags zwischen regelmäßiger Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit nach dem Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie, Essigindustrie, Senfindustrie für NRW vom O8.12.2014 bedeutet keine Schlechterstellung und verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zudem ist die Regelung angemessen.
Normenkette
MTV obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitende Industrie, Essigindustrie, Senfindustrie NRW Fassung: 2004-12-08; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; ArbZG § 6 Abs. 5; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 04.02.2020; Aktenzeichen 5 Ca 1599/19) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 4. Februar 2020 - 5 Ca 1599/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Leistungsklage darüber, ob der isoliert betrachtet höhere tarifliche Nachtarbeitszuschlag, der für die außerhalb eines Schichtsystems geleistete Nachtarbeit vorgesehen ist, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung klägerseits auch dann beanspruchen kann, wenn die Nachtarbeit im Rahmen der anderweitig zuschlagsbegünstigten regelmäßigen Schichtarbeit geleistet wird.
Der Kläger ist seit dem 1. November 1998 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Ernährungsindustrie, als gewerblicher Arbeitnehmer in der Produktion beschäftigt. Die Beklagte ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Ernährungsindustrie Nordrhein-Westfalen (AEN). Die klägerische Partei gehört der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) an. Auf das Arbeitsverhältnis gelangt Kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie, Essigindustrie, Senfindustrie für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2004, in Kraft getreten am 1. Januar 2005, zur Anwendung (im Folgenden: MTV). Gemäß dem zwischen den Tarifvertragsparteien für die Branche und Region begleitend geschlossenen Entgelttarifvertrag vom 14. Mai 2018 betrug der Bruttostundenlohn der klagenden Partei, soweit vorliegend von Bedeutung, bis einschließlich März 2019 zunächst 18,00 €, ab dem 1. April 2019 dann 18,44 €.
Der angesprochene MTV lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 3 Arbeitszeit
[...]
III. Zusätzliche Regelungen zur Arbeitszeit
[...]
6. Bezahlte Essenspause bei Zwei- bzw. Drei-Schicht-System
In Betrieben, in denen im Zwei- bzw. Drei-Schicht-System gearbeitet wird, muss den Arbeitnehmern, die aus betrieblichen Gründen wegen ununterbrochenen Fortgangs der Arbeit ihren Arbeitsplatz nicht verlassen können, eine bezahlte Essenspause von 30 Minuten innerhalb der Arbeitszeit gewährt werden.
[...]
§ 4 Alters- und Schichtfreizeit
[...]
2. Schichtfreizeit
Arbeitnehmer, die ständig im Drei-Schicht-Wechsel arbeiten, erhalten für je 25 geleistete Nachtschichten in diesem System eine Freischicht.
Arbeitnehmer, die im Zwei-Schicht-Wechsel arbeiten, erhalten nach diesem System für je 55 geleistete Spätschichten eine Freischicht.
Wechselschichtarbeit liegt vor, wenn ein regelmäßiger Wechsel des Schichtbeginns und damit der zeitlichen Lage der Schicht erfolgt und die Spätschicht mindestens bis 20.00 Uhr dauert.
§ 5 Mehrarbeit, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
1. Begriffsbestimmung
a) Zuschlagpflichtige Mehrarbeit ist die über die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeit mit Ausnahme der Stunden, die nach § 3 I, Ziffer 3 a) für Freizeitausgleich angesammelt werden.
Bei abweichender Arbeitszeitregelung (§ 3 II) liegt zuschlagpflichtige Mehrarbeit vor, wenn die mit dem Betriebsrat vereinbarte regelmäßige werktägliche Arbeitszeit überschritten wird.
b) Mitbestimmung des Betriebsrates und Ausdehnung der Arbeitszeit
Mehrarbeit ist nach Möglichkeit zu vermeiden. Sie soll nur vorübergehend in Fällen dringender betrieblicher Notwendigkeit im Einvernehmen mit dem Betriebsrat angeordnet werden, soweit es sich nicht um einzelne Arbeitnehmer und nicht vorhersehbare Fälle handelt.
In diesen Fällen ist der Betriebsrat unverzüglich zu benachrichtigen.
Ist hiernach aber Mehrarbeit unvermeidlich, so kann die Arbeitszeit bis zu 10 Stunden am Tage ausgedehnt werden und ist zu leisten. Die gesetzlichen Schutzbestimmungen für Frauen und Jugendliche sind zu beachten. Bei der Festsetzung von Mehrarbeit muss weitgehend auf die persönlichen und kulturellen Bedürfnisse der Arbeitnehmer Rücksicht genommen werden.
c) Nachtarbeit
Nachtarbeit ist die in der Zeit von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr geleistete Arbeit, soweit es sich nicht um Schichtarbeit handelt.
[...]
2. Zuschläge
Für Mehrarbeit, Nachtarbeit, Schichtarbeit in der Nacht, Sonntags- und Feiertagsarbei...