Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung. ordentlich. betriebsbedingt. Betriebsratsmitglied. Wirksamkeit. Krankengeld. Betreuung. Kind. Anrechnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Auf der Basis des § 15 KSchG als Spezialnorm zu § 78 S. 2 BetrVG besteht für den Arbeitgeber die Möglichkeit, im Fall einer beabsichtigten Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmer dies auch gegenüber Betriebsratsmitgliedern einseitig durchzusetzen. Außerhalb der Ausnahmefälle des § 15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG kann der Arbeitgeber nämlich die von ihm geltend gemachten betriebsbedingten Gründe zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung nach § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG heranziehen - und zwar regelmäßig unter Gewährung einer sozialen Auslauffrist, die sich an der Länge der fiktiv geltenden ordentlichen Kündigungsfrist zu orientieren hat. Soweit es in dem Zusammenhang bei erfolgter Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat bis zur gerichtlichen Ersetzung zu einer zeitlichen Verzögerung der Umsetzung der arbeitgeberseitigen Maßnahme kommen kann, liegt das in der Systematik des besonderen Kündigungsschutzes für Amtsträger, um deren Unabhängigkeit und unbeeinflusste Amtsausübung sowie die Amtskontinuität zu wahren.
2. Der einschlägige Krankengeldanspruch gem. § 45 Abs. 1 S. 1 SGB V ruht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, sofern der Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch hat. Letztlich kommt dem Krankengeld nur eine Entgeltersatzfunktion zu.
Normenkette
KSchG § 15 Abs. 1 S. 1; SGB V § 45 Abs. 1 S. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Urteil vom 28.04.2009; Aktenzeichen 5 Ca 3170/08) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 28.04.2009 – 5 Ca 3170/08 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in erster Linie um die Wirksamkeit einer ordentlichen, betriebsbedingten Änderungskündigung; daneben strebt der Kläger eine Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto wegen erfolgter Kinderbetreuung an.
Der am 04.09.1973 geborene, verheiratete, einem Kind gegenüber unterhaltspflichtige Kläger ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 01.11.2000 als Sachbearbeiter tätig, wofür er zuletzt eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.594,00 Euro erhielt.
Es besteht ein schriftlicher Arbeitsvertrag, auf den als Anlage zum Klageschriftsatz vom 10.11.2008 Bezug genommen wird (Bl. 5 ff. d. A.).
Die Beklagte gehört einer Gruppe von Markt- und Meinungsforschungsunternehmen an. In ihrem Betrieb in B3 besteht ein Betriebsrat, dem der Kläger seit November 2008 als Mitglied angehört, nachdem er zuvor als Ersatzmitglied an Sitzungen teilgenommen hatte, letztmals am 28.10.2008.
Mit Schreiben vom 28.10.2008 sprach die Beklagte dem Kläger „die ordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen” zum 31.03.2009 aus und bot ihm zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Maßgabe eines „anliegenden Arbeitsvertrages” an. Wegen des weiteren Inhalts der Änderungskündigung und des Inhalts des Vertragsentwurfes wird Bezug genommen auf die entsprechenden Anlagen zum Klageschriftsatz vom 10.11.2008 (Bl. 14 ff. d. A.).
Der Kläger nahm das Angebot am 10.11.2008 unter Vorbehalt an.
Die Beklagte verfolgt mit der Änderungskündigung letztlich das Ziel, eine Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen in allen Unternehmen der Unternehmensgruppe herbeizuführen. Namentlich betroffen sind die Bereiche der Arbeitszeit, des 13. Monatseinkommens, des Urlaubs und der Verfallfristen. Bislang auf tariflichen Regelungen fußende Bestimmungen sollen durch solche einer Gesamtbetriebsvereinbarung ersetzt werden.
Am 18.11.2008 konnte der Kläger wegen der Erkrankung seines am 17.08.2000 geborenen Kindes nicht zur Arbeit erscheinen, weil keine andere Person zur Betreuung zur Verfügung stand. Dazu reichte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung zur Akte (Bl. 35 d. A.). Trotz eines entsprechenden Verlangens wurde die ausgefallene Arbeitszeit in Umfang von 7,9 Stunden nicht auf seinem Arbeitszeitkonto berücksichtigt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, schon wegen seines bestehenden Sonderkündigungsschutzes sei die ordentliche Änderungskündigung unwirksam. Davon abgesehen sei diese auch sozial ungerechtfertigt. – Im Übrigen seien ihm auch 7,9 Stunden für die erforderliche Betreuung seines Kindes gutzuschreiben.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 28.10.2008 sozial ungerechtfertigt und rechtsunwirksam ist,
- die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 7,9 Stunden gutzuschreiben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Meinung geäußert, im Rahmen einer – wie hier – erfolgten Massenänderungskündigungsmaßnahme bestehe kein Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG. In der Sache sei die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt, um standort- und unternehmensübergreifend einheitliche Arbeitsbedingungen du...