Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe einer Karenzentschädigung: Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 74 c HGB

 

Leitsatz (amtlich)

1. An der vom Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 09.01.1990 (- 3 AZR 110/88 – AP Nr. 59 zu § 74 HGB) selbst in Frage gestellten Rechtsprechung, wonach der Arbeitnehmer bei der Zusage einer zu geringen Karenzentschädigung nicht die gesetzliche Mindestentschädigung, sondern die vereinbarte Entschädigung beanspruchen kann, ist festzuhalten, da durch das dem Arbeitnehmer in diesen Fällen eingeräumte Wahlrecht seinen Schutzinteressen ausreichend Rechnung getragen wird.

2. Ist in der vertraglichen Wettbewerbsvereinbarung eine gegen § 74 c HGB verstoßende Anrechnung anderweitigen Erwerbs vorgenommen worden, so hat dies die Unwirksamkeit der Anrechnungsregelung, nicht aber die Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots zur Folge.

 

Normenkette

HGB § 74 Abs. 2, § 74c

 

Verfahrensgang

ArbG Hamm (Entscheidung vom 26.01.2001; Aktenzeichen 4 (1) Ca 2303/99 L)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 26.01.2001 – 4 L (1) Ca 2303/99 L – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.521,94 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 15.12.1999 sowie 3.877,99 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 16.03.2000 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 7/10, die Klägerin zu 3/10.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verfolgt Ansprüche auf Karenzentschädigung.

Die Klägerin war vom 06.10.1998 bis zum 28.02.1999 bei der Beklagten im Pflegedienst als stellvertretende Pflegedienstleiterin beschäftigt. Sie bezog ein monatliches Gehalt von 5.226,– DM brutto sowie eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 400,– DM: In § 11 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 06.10.1998 war das folgende Wettbewerbsverbot vereinbart worden:

„1. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, für die Dauer eines Jahres nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in den Regierungsbezirken A1xxxxxx, M1xxxxx oder D1xxxxx kein Konkurrenzunternehmen zu gründen, zu erwerben oder sich an einem solchen zu beteiligen.

2. Für die Dauer des Wettbewerbsverbots zahlt der Arbeitgeber eine Entschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt gewährten Monatsbezüge, einschließlich der Gratifikation, sofern der Arbeitnehmer aufgrund des Wettbewerbsverbotes kein über das bislang erzielte Einkommen erzielt oder zu erzielen unterlässt. Die Karenzentschädigung mindert sich um den Teil, den der Arbeitnehmer als Einkommen erzielt oder erzielen kann.

3. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber während der Dauer der Wettbewerbsvereinbarung unaufgefordert jeweils am Schluss eines Kalendervierteljahres die Höhe seines Verdienstes aus der Verwertung seiner Arbeitskraft mitzuteilen. Während der gleichen Zeit wird der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber jeden Wechsel seines Wohnsitzes bekannt geben.

4. Im übrigen gelten die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB.

5. Der Arbeitnehmer bestätigt hiermit, eine von dem Arbeitgeber unterzeichnete Urkunde dieser Wettbewerbsvereinbarung erhalten zu haben.”

Außerdem enthält der Arbeitsvertrag unter § 14 eine salvatorische Klausel. Zu den weiteren Einzelheiten dieses von der Klägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten unterzeichneten Vertrags wird auf Blatt 9 bis 17 der Akten verwiesen.

Das Formular des Arbeitsvertrages war vor Begründung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin mit Hilfe anwaltlicher Beratung entwickelt worden. Dabei war dem Geschäftsführer der Beklagten erläutert worden, dass das Wettbewerbsverbot in der vorliegenden Form rechtlich nicht durchgesetzt werden könne, wenn der jeweilige Arbeitnehmer sich daran aber halte, er eine gewisse Entschädigung verlangen könne.

Für die Zeit vom 01.03. bis 30.06.1999 erkannte die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Karenzentschädigung an. In dieser Zeit war die Klägerin arbeitslos. Seit dem 01.07.1999 ist die Klägerin bei dem St. J2xxxxxx-Stift-Krankenhaus in P2xxxxxxx beschäftigt. Ab diesem Zeitpunkt verweigerte die Beklagte die Zahlung einer Karenzentschädigung unter Hinweis darauf, dass sich nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung die Karenzentschädigung um den Teil mindert, den der Arbeitnehmer als Einkommen erzielt oder erzielen kann.

Die Klägerin berechnet auf der Grundlage der Anrechnungsvorschrift des § 74 c HGB ihren Anspruch auf Karenzentschädigung für die Monate Juli bis November 1999 mit insgesamt 8.043,03 DM und für die Monate Dezember 1999 bis Februar 2000 mit 5.625,21 DM. Zu den Einzelheiten dieser Berechnung, die als solche von der Beklagten nicht angegriffen wird, wird auf die Klageschrift (Bl. 7 und 8 d.A.) sowie auf den klageerweiternden Schriftsatz vom 14.03.2000 (Bl. 44 d.A.) verwiesen.

Durch Urteil vom 26.01.2001, auf das zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug ge...

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