Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlöschen von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen

 

Leitsatz (amtlich)

1) Entsprechend dem Urteil des EuGH vom 22.11.2011 im Vorabentscheidungsverfahren des vorliegenden Rechtsstreits (Schulte ./. KHS - C-214/10) ist der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2006 nach Ablauf des tariflichen Übertragungszeitraums von 15 Monaten erloschen (§ 11 Nr. 1 Abs. 2 EMTV NRW)

2) Zwar hat der Kläger seinen aus den Jahren 2007 und 2008 herrührenden Urlaubsabgeltungsanspruch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.08.2009 nicht innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist des § 19 Nr. 2 b EMTV NRW geltend gemacht. Ein Verfall des Anspruchs ist jedoch nicht eingetreten, weil er in Anwendung der tariflichen Bestimmung des § 19 Nr. 4 EMTV NRW vor der Entscheidung des EuGH in der Sache Schultz-Hoff vom 20.01.2009 (C-350/06) trotz Anwendung aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, diese Frist einzuhalten.

 

Normenkette

EMTV NRW § 19 Nr. 2 lit. b

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 20.08.2009; Aktenzeichen 4 Ca 1334/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 10.12.2013; Aktenzeichen 9 AZR 949/12)

BAG (Urteil vom 10.12.2013; Aktenzeichen 9 AZR 494/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 20.08.2009 - 4 Ca 1334/09 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.363,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 23.03.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 52,38 %, die Beklagte zu 47,62 %.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses darüber, ob die Beklagte dem Kläger Urlaubsabgeltung für die Jahre 2006 bis 2008 schuldet.

Der am 22.02.1950 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.04.1964 bis zum 31.08.2008 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Schlosser beschäftigt. Ausweislich der Entgeltabrechnung für den Monat Februar 2002 erhielt er zu dieser Zeit ein Monatsentgelt von 2.651,48 € brutto. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen Anwendung. Danach beträgt der tarifliche Urlaubsanspruch jährlich 30 Arbeitstage.

Am 23.01.2002 erlitt der Kläger einen Herzinfarkt. In der Zeit vom 26.02. bis 16.04.2002 unterzog er sich einer Reha-Maßnahme, aus der er arbeitsunfähig entlassen wurde. Seit dem Jahre 2002 ist der Kläger schwerbehindert. In der Zeit vom 17.04.2002 bis zum 30.09.2003 bezog der Kläger Krankengeld in Höhe von 1.871,40 € monatlich. Ab dem 01.10.2003 wurde ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 1.420,91 € jeweils befristet bewilligt. Außerdem erhielt er auf seinen Antrag eine Invalidenrente gemäß der Ruhegeldordnung der Firma H1 und K1 AG vom 30.11.1959 in Höhe von 78,39 € brutto monatlich.

Am 25.08.2008 vereinbarten die Parteien die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31.08.2008. Die Aufhebungsvereinbarung hat den folgenden Wortlaut:

"1. Es besteht Einigkeit zwischen den Parteien, dass das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung von K2 aus gesundheitlichen Gründen mit Ablauf des 31.08.2008 sein Ende finden wird, da Herr S1 seine Tätigkeit als Schlosser nicht mehr ausüben kann. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ein anderer Arbeitsplatz, auf dem Herr S1 ohne Gefährdung seiner Gesundheit beschäftigt werden könnte, nicht vorhanden ist.

2. Das Arbeitsverhältnis wird bis zu seiner Beendigung gemäß den bestehenden vertraglichen Vereinbarungen und den gesetzlichen bzw. tariflichen Vorschriften abgewickelt.

3. Zur Aufrechterhaltung ungekürzter Ansprüche auf Arbeitslosengeld ist Herr S1 verpflichtet, sich unverzüglich nach Abschluss dieses Aufhebungsvertrages persönlich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden.

4. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle gegenseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung seien sie bekannt oder nicht bekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt. Rechte gegen die betrieblichen Altersversorgungseinrichtungen bleiben davon unberührt."

Mit seiner am 18.03.2009 beim Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage verfolgt der Kläger einen Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs für die Jahre 2006, 2007 und 2008, wobei er von jeweils 35 Arbeitstagen ausgegangen ist. Seinen Tagesverdienst hat er mit 87,26 € berechnet und insgesamt einen Anspruch von 9.162,30 € brutto geltend gemacht.

Der Kläger hat sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichts berufen, wonach bei Arbeitsunfähigkeit ein Urlaubsanspruch nicht verfalle.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.162,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage ab...

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