Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkludenter Ausschluss der Nachwirkung. Beschäftigungssicherungstarifvertrag, Gleichbehandlung bei der Vergütung
Leitsatz (redaktionell)
Es liegt in der Rechtsmacht der Tarifvertragsparteien die Nachwirkung auszuschließen. Der Ausschluss der Nachwirkung ist auch Ausfluss der durch Art. 9 Abs. 3 geschützten Tarifautonomie, die auch beinhaltet, dass die Tarifpartner ihre durch schuldrechtliche Erklärung herbeigeführte Rechtsfolge wieder beenden können. Dies kann vor allen Dingen dann sinnvoll sein, wenn es kein Bedürfnis für die gesetzgeberische Intension, den tariflosen Zustand zu verhindern, gibt. Der Ausschluss der Nachwirkung muss nicht ausdrücklich vereinbart werden, er kann nach allgemeiner Meinung auch konkludent erfolgen. Die Auslegung der Vereinbarung ergibt hier, dass die Nachwirkung von den Parteien ausgeschlossen wurde.
Normenkette
TVG § 4 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Urteil vom 01.10.2009; Aktenzeichen 3 Ca 1455/09) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 01.10.2009 – 3 Ca 1455/09 – teilweise abgeändert und wie folgt zur Klarstellung neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.040,14 EURO brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.06.2009 zu zahlen. Die weitergehende Zinsklage wird abgewiesen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe des dem Kläger zustehenden Gehaltes.
Der am 10.05.1962 geborene Kläger ist Mitglied der IG-Metall und steht seit dem 11.01.1982 bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis. Im Arbeitsvertrag des Klägers vom 07.01.1082 ist keine Arbeitszeit geregelt.
Die Beklagte war bis zum 31.12.2001 tarifgebundenes Mitglied im Arbeitgeberverband der Eisen- und Metallindustrie für Bochum und Umgebung e.V. Zum gleichen Zeitpunkt trat auch der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 11.12.1996 in der Fassung vom 23.10.1997/ 28.03.2000 außer Kraft (im folgenden MTV Metall), da ab dem 01.01.2002 ein Nachfolgetarifvertrag galt. Die tarifliche Wochenarbeitszeit betrug 35 Stunden.
Zum 01.01.2005 wurde die Beklagte erneut Mitglied in dem Arbeitgeberverband, allerdings in der Fachabteilung „OT” (= ohne Tarifbindung).
Am 27.09.2005 schlossen die Beklagte und der Arbeitgeberverband der Eisen- und Metallindustrie für Bochum und Umgebung e.V. auf der einen Seite und die IG-Metall auf der anderen Seite eine „Vereinbarung” (Bl. 17 f d.A.), die u.a. folgende Regelungen enthält:
- „Ab dem 01.12.2005 verändert sich die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 40 Stunden ohne entsprechenden Entgeltausgleich. Die Entgeltberechnung erfolgt auf Basis einer 36-Stunden-Woche. …
Ab dem 01.12.2005 werden, Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen um 1,5 % erhöht. Zusätzlich wird zum 01.12.2005 eine Einmalzahlung in Höhe von Euro 200, – an die Beschäftigten geleistet, für Auszubildende beträgt diese Euro 100,–. Die Einmalzahlung wird nicht tabellenwirksam.
…
- L & E verzichtet bis zum 31.12.2007 auf betriebsbedingte Kündigungen. …
- Die Laufzeit dieser Vereinbarung endet am 31.12.2008. Die Parteien verpflichten sich, spätestens in der 2. Jahreshälfte 2008 Gespräche über eine Nachfolgeregelung aufzunehmen.”
Eine nachfolgende Vereinbarung wurde zwischen den Vertragsparteien nicht geschlossen.
Im Dezember 2008 erfolgte ein Angebot der Beklagten an den Kläger zur Änderung seines Arbeitsvertrages (Bl. 28 d. A.). Gleichlautende Angebote erhielten ca. ¾ der Belegschaft der Beklagten. Die Regelung sollte auf 3 Jahre befristet sein. Dieses Angebot lautet auszugsweise wie folgt:
„Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden. …
Zugleich finden die Regelungen des Tarifwerkes der Metallindustrie mit sofortiger Wirkung bezogen auf die wöchentliche Arbeitszeit keine Anwendung mehr.
Mit der Abrechnung Dezember erhalten Sie für 2008 eine nicht tabellenwirksame Einmalzahlung in Höhe von EUR 600,– (sechshundert).
Weiter freuen wir uns, Ihnen mitteilen zu können, dass wir Ihr Gehalt zum 01. Januar 2009 um 2,5 % erhöhen. …”
Der Kläger nahm das Angebot nicht an. Er arbeitete im Folgenden weiter 40 Stunden in der Woche bei gleichbleibendem Gehalt und erhielt weder eine Einmalzahlung noch ein prozentuale Gehaltserhöhung. Die Arbeitnehmer, die das Änderungsangebot annahmen, erhielten sodann von der Beklagten die angekündigte Einmalzahlung und die Gehaltserhöhung. Ebenso erhielten die Beschäftigen bei der Beklagten, die ohnehin seit jeher in einer 40-Stunden-Woche beschäftigt waren, eine Gehaltserhöhung und die Einmalzahlung in gleicher Höhe. Hierbei handelt es sich um Beschäftigte, die nach dem Jahr 2000 eingestellt wurden. Der Abschluss dieser Verträge beruhte bis zum 31.12.2001 auf der alten Regelung des MTV Metall, die es ...