Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung. Anforderungen an die Anhörung des Betriebsrats
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat der Arbeitgeber vor dem Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen den Arbeitnehmern angeboten, in eine Transfergesellschaft zu wechseln und ist die Frist für die Annahme dieses Angebots noch nicht abgelaufen, so kann eine Anhörung des Betriebsrats zum Ausspruch von Kündigungen noch nicht erfolgen, da nicht feststeht, ob und in welchem Umfang diese überhaupt nötig werden.
2. Eine betriebsbedingte Kündigung ist nicht sozial gerechtfertigt, wenn sie nach der Absicht des Unternehmers zunächst nach freiwilligem Ausscheiden, dem Auslaufenlassen von Befristungen und der grundsätzlichen Nichtbeschäftigung von Leiharbeitnehmern ausgesprochen werden soll, da es insoweit eines Interessenausgleichs bedarf.
3. Umsatzrückgang oder Auftragsmangel können eine betriebsbedingte Kündigung dann rechtfertigen, wenn dies zu einem solchen Rückgang der anfallenden Arbeit führt, dass ein Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung für einen oder mehrere Arbeitnehmer entfällt. Führt der Arbeitgeber den außerbetrieblichen Umstand des Umsatzrückgangs zur Begründung der Kündigung an, so hat das Gericht zu überprüfen, ob ein solcher dauerhafter Umsatzrückgang gegeben ist und in welchem Umfang er sich auf die noch vorhandene Arbeitsmenge bestimmter Arbeitnehmer auswirkt. Der Arbeitsanfall muss dauerhaft so zurückgehen, dass ein betriebswirtschaftliches Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer nicht mehr gegeben ist. Dabei hat der Arbeitgeber darzulegen, wie er den Entfall von Arbeitsplätzen berechnet hat, welche Parameter dieser Berechnung zugrunde liegen und wie sich demnach der erwartete Umsatzrückgang auf den Beschäftigungsbedarf ausgewirkt hat.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3, Abs. 5 S. 1; BetrVG § 102 Abs. 1, §§ 111-112
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 18.03.2014; Aktenzeichen 2 Ca 2442/12) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 18.03.2014 - AZ. 2 Ca 2442/12 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten, ordentlichen Kündigung.
Die 1967 geborene Klägerin, war seit dem 19.08.1996 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Maschinenbedienerin beschäftigt.
Ihr letztes monatliches Bruttoentgelt betrug 3.183,25 € bei einer vollzeitigen Arbeitszeit.
Die Beklagte gehört dem C-Konzern an und beschäftigte mehr als 1000 Arbeitnehmer. Sie unterhält mindestens zwei Betriebe, nämlich zum einen den streitgegenständlichen Betrieb, der sich in die Teilbetriebe T und U unterteilt. Für diesen Betrieb ist ein einheitlicher Betriebsrat gewählt worden. Hier waren in der Regel ca. 900 Arbeitnehmer beschäftigt, hinzu kamen ca. 100 Leiharbeitnehmer. Daneben unterhält die Beklagte in einer Entfernung von ca. 7 Kilometern einen weiteren Betrieb mit den Abteilungen E und G. Dieser Betrieb verfügt über eine eigene Betriebsleitung mit einem eigenen Betriebsrat.
Die Beklagte produziert in ihrem Betriebsteil T CDs und DVDs, im Betriebsteil U Booklets und Verpackungen.
Die Klägerin war tätig im Bereich T.
Ob sich aufgrund der wachsenden Online-Angebote für Musik und Filme die Nachfrage nach Datenträgern wie CDs und DVDs negativ bei der Beklagten entwickelte, ist unter den Parteien streitig.
Jedenfalls errechnete die Beklagte für die Jahre 2011 bis 2013 aufgrund ihrer Prognosen einen Überhang von insgesamt 192 Arbeitsplätzen.
Ob anschließend in ein sogenanntes "B1-Board", das sich aus Vertretern der Gesellschafter der Beklagten zusammensetzt, am 12.04.2011 ein Beschluss der Beklagten zur Reduktion von 139 Arbeitsplätzen bis Ende 2012 eingebracht wurde und das "B1-board" einen solchen Beschluss genehmigte, ist gleichfalls unter den Parteien streitig. Schriftliche Unterlagen hierüber liegen unstreitig nicht vor. Ebenso ist streitig, ob in der Folgezeit mit dem Betriebsrat ein Freiwilligenprogramm zum Ausscheiden von Arbeitnehmern abgestimmt wurde, das Anfang Juni 2011 beginnen sollte. Ob infolge dessen Aufhebungsverträge mit Arbeitnehmer geschlossen wurden, ist ebenfalls streitig.
Jedenfalls ist in der bei der Beklagten existierenden Mitarbeiterzeitung vom 07.12.2011 ausgeführt, der Betriebsratsvorsitzende habe in einer Betriebsversammlung vom 07.12.2011 erklärt, Ausgangspunkt der Gespräche mit der Beklagten sei der Abbau von 138 Stellen gewesen, u.a durch freiwilliges Ausscheiden habe die Zahl aber auf ein Drittel reduziert werden können.
Im Frühjahr 2012 nahm die Beklagte eine Überprüfung ihrer Prognose aus dem Jahr 2011 vor. Nach ihrer Berechnung kam die Beklagte zu einem Personalüberhang in Höhe von 38 Ganztageskräften (GTK). Die Beklagte trat mit dem Betriebsrat in Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozia...