Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung eines Aufhebungsvertrags wegen Drohung mit einer fristlosen Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. a) Das Inaussichtstellen einer außerordentlichen Kündigung bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages stellt dann eine widerrechtliche Drohung dar, wenn ein verständiger Arbeitgeber in der gegebenen Situation eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.
b) Konnte hingegen der Ausspruch einer fristlosen Kündigung ernsthaft in Erwägung gezogen werden, so ist es nicht erforderlich, dass die angedrohte Kündigung, wenn sie denn ausgesprochen worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erweisen würde.
c) Von dem Arbeitgeber kann nicht verlangt werden, dass er bei seiner Abwägung generell die Beurteilung des Gerichtes "trifft".
2. Ein vom Arbeitgeber im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses begangenes Vermögensdelikt ist generell geeignet, eine fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen. Dies gilt nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung selbst dann, wenn Sachen geringen Wertes entwendet worden sind.
Normenkette
BGB § 123 Abs. 1, § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Münster (Entscheidung vom 20.10.2011; Aktenzeichen 2 Ca 1317/11) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Münster vom 20.10.2011 - 2 Ca 1317/11 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Berufungsverfahren gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts vom 20.10.2011 streiten die Parteien um die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages, mit dem eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2011 vereinbart worden ist.
Der am 31.07.1957 geborene Kläger war seit dem 03.11.1997 bei der Beklagten als Mitarbeiter im Bereich Verpackung und Profile tätig gegen eine Vergütung von zuletzt 4.315,00 € brutto monatlich. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem GdB von 50.
Am 25.06.2011 kam bei der Beklagten der Verdacht auf, der Kläger habe Metallteile entwendet bzw. zu entwenden versucht. Hierbei will ihn nach der Behauptung der Beklagten der Zeuge S2 beobachtet haben. Der Zeuge S2 meldete seine Beobachtungen dem Schichtführer K3, der dies an die Geschäftsleitung der Beklagten weiterleitete. Auf die Fotos der fraglichen Metallteile wird Bezug genommen (Bl. 27 - 29, 198 GA).
Der Kläger wurde zu den Vorwürfen am 30.06.2011 angehört. Hierbei ist zwischen den Parteien umstritten, ob der Kläger am selben Tage eingeräumt hat, drei Teile entwendet zu haben. Der Kläger bestreitet, einen Diebstahl begangen oder beabsichtigt zu haben. Die Beklagte ihrerseits teilte dem Kläger am 01.07.2011 mit, dass sie die Absicht habe, dem Kläger zu kündigen. Alternativ bot sie einen Aufhebungsvertrag an. Der Kläger sollte sich bis zum 04.07.2011 darüber Gedanken machen und ggf. den Aufhebungsvertrag unterschreiben. Am 04.07.2011 kam es nicht zu einem Gespräch. Die von dem Kläger beauftragte Rechtsanwältin S3 meldete sich unter dem 05.07.2011 per Telefax bei der Beklagten, wies die Vorwürfe namens des Klägers zurück und regte einen Besprechungstermin an. Daraufhin fand am 08.07.2011 im Personalbüro der Beklagten ein Gespräch mit dem Kläger und dessen Prozessbevollmächtigter statt, an dem u.a. auch das Betriebsratsmitglied R2 teilnahm. Nach 30-minütiger Überlegung unterzeichnete der Kläger im Beisein seiner damaligen Prozessbevollmächtigten und anderer Mitarbeiter der Beklagten den Aufhebungsvertrag vom 08.07.2011, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2011 bei sofortiger bezahlter Freistellung des Klägers unter Anrechnung auf etwaige Urlaubsansprüche vorsieht. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Kopie des Vertrages verwiesen (Bl. 8 GA). Mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 13.07.2011 hat der Kläger den Aufhebungsvertrag vom 08.07.2011 angefochten. Auf das Anfechtungsschreiben wird Bezug genommen (Bl. 9, 10 GA). Auf Antrag der Beklagten vom 14.07.2011 hat das Integrationsamt am 28.07.2011 eine zustimmende Entscheidung für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung übermittelt und unter dem 04.08.2011 die zustimmende Entscheidung zur außerordentlichen Kündigung begründet und die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung erteilt (Bl. 163 - 167 GA). Unter dem 15.07.2011 hat die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung angehört. Wegen des Inhalts des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 168 - 171 GA Bezug genommen
Die Klage gegen den Aufhebungsvertrag ist am 25.07.2011 bei dem Arbeitsgericht eingegangen. Mit Klageerweiterung vom 14.10.2011 hat der Kläger restliche Vergütung für den Monat September 2011 eingefordert.
Der Kläger hat behauptet, er habe keine Materialien entwendet oder zu entwenden versucht. Nur wegen der Drohung mit einer fristlosen Kündigung sei er bereit gewesen, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Bei der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages habe er versichert, nichts getan zu haben und auch nichts mitgenommen zu haben.
Der Kläg...