Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehinderung/Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung. Anspruch eines Schwerbehinderten auf Teilzeitbeschäftigung
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf Teilzeitbeschäftigung gem. § 81 Abs. 5 SGB IX:
Stehen dem auf § 81 Abs. 5 SGB IX gestützten Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit in Form der Vier-Tage-Woche am bisherigen Arbeitsplatz betriebliche Gründe entgegen, lässt sich jedoch die begehrte Regelung an einem anderem gleichwertigen Arbeitsplatz verwirklichen, so ist die Teilzeitbeschäftigung am bisherigen Arbeitsplatz weder "wegen Art und Schwere der Behinderung notwendig" noch zumutbar.
2. Zum Teilzeitverlangen gem. § 8 TzBfG:
Gegenstand des auf Zustimmung zur Verringerung der Arbeitszeit gerichteten Klagebegehrens ist das vorprozessuale Verringerungsverlangen des Arbeitnehmers. Modifiziert der Kläger im Zuge des Rechtsstreits sein materiell-rechtliches Änderungsverlangen, so handelt es sich um eine Klageänderung, die im 2. Rechtszug nur unter den Voraussetzungen des § 533 ZPO zulässig ist.
Normenkette
SGB IX § 81 Abs. 5; TzBfG § 8; BGB § 145; ZPO §§ 253, 264, 533
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Entscheidung vom 01.06.2011; Aktenzeichen 5 Ca 470/11) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 01.06.2011 - 5 Ca 470/11 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner Klage begehrt der mit einem GdB 60 schwerbehinderte Kläger, welcher bei der beklagten Gemeinde zuletzt als Messgehilfe vollzeitbeschäftigt ist, die Herabsetzung und Verteilung seiner Arbeitszeit auf vier Tage/Woche.
Diesen Anspruch stützt der Kläger in erster Linie auf die Vorschrift des § 81 Abs. 5 SGB IX und behauptet hierzu unter Vorlage ärztlicher Atteste, die Verkürzung der Arbeitszeit sei wegen der Schwere seiner Behinderung notwendig. Mit Rücksicht auf die unstreitige obstruktive Atemwegserkrankung mit einer Reduzierung der Lungenfunktion um ca. 50 % sei nach einer Arbeitsleistung an vier Tagen eine Regenerationsphase von drei Tagen erforderlich. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten lasse sich der Einsatz der der vorhandenen Messtrupps auch ohne die Anwesenheit des Klägers an Freitagen organisieren, indem etwa die Besetzung eines Messtrupps an diesem Tage auf einen Messtruppführer und einen Messgehilfen beschränkt werde, wie dies auch sonst vorkomme. Hilfsweise stützt der Kläger sein Begehren auf die Vorschrift des § 8 TzBfG. Vorgerichtlich hat der Kläger bei der Beklagten mit Schreiben vom 05.03.2010 erfolglos eine entsprechende Arbeitszeitreduzierung beantragt. Das Schreiben (Bl 10 d. A.) lautet wie folgt
Antrag auf Verkürzung der Arbeitszeit von 39 auf 33 Stunden
Sehr geehrte Damen und Herren,
aus persönlichen Gründen beantrage ich die obige Arbeitszeitverkürzung und möchte diese freitags in Anspruch nehmen.
Als Beginn für die Verkürzung biete ich den 01.Mai 2010 an mit einer Dauer von vorerst 5 Jahren.
Mit freundlichen Grüßen
Der Kläger hat im ersten Rechtszuge beantragt
1.
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit einer reduzierten Arbeitszeit von 31 Stunden pro Woche, verteilt auf die Wochentage Montag bis Donnerstag jeweils mit 8,25 Stunden zu beschäftigen,
hilfsweise,
2.
die Beklagte zu verurteilen, dem Verlangen des Klägers auf Reduzierung seiner vertraglichen Arbeitszeit auf 31 Stunden pro Woche, die montags bis donnerstags mit jeweils 8,25 Stunden geleistet werden, zuzustimmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen
Sie hat geltend gemacht, weder werde die Notwendigkeit der erstrebten Arbeitszeitänderung durch die vorgelegten Atteste belegt, noch lasse sich die Beschränkung auf vier Tage/Woche mit dem bestehenden Organisationskonzept vereinbaren. Ohne den Kläger sei der angestrebte Einsatz der drei Messfahrzeuge mit regulärer personeller Besetzung an Freitagen infrage gestellt. Im Übrigen könne den geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkungen durch eine Verkürzung der täglichen Arbeitszeit oder einen Einsatz als Straßenkontrolleur oder Verkehrsaufseher Rechnung getragen werden.
Durch Urteil vom 01.06.2011 (Bl. 129 ff. d. A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, aus den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen sei die Notwenigkeit einer Arbeitszeitreduzierung nicht zu erkennen, vielmehr habe der behandelnde Arzt die begehrte Arbeitszeitverkürzung lediglich als sinnvoll und arbeitsmedizinisch begründbar bezeichnet. Im Übrigen scheitere der auf § 81 Abs. 5 SGB IX gestützte Antrag auch daran, dass selbst bei Notwendigkeit einer Arbeitszeitverkürzung die beantragte Verblockung der reduzierten wöchentlichen Arbeitszeit unter Beschränkung auf die Arbeitstage Montag bis Donnerstag nicht nachzuvollziehen sei.. Ebenso wenig könne der Kläger von der Beklagten die Zustimmung zur Verringerung der Wochenarbeitszeit gemäß § 8 TzBfG verlangen. D...