Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen unvollständiger Unterrichtung des Betriebsrats
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat grundsätzlich die Personalien des zu kündigenden Arbeitnehmers, die Beschäftigungsdauer, die Kündigungsart sowie die Kündigungsgründe mitzuteilen. Dabei muss die Kennzeichnung des Sachverhalts so umfassend sein, dass der Betriebsrat ohne eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Diesen Anforderungen genügt die Unterrichtung des Betriebsrats bei einer Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs nicht, wenn die entscheidende Information, dass der betreffende Arbeitnehmer in einem bestimmten Zeitraum keine Arbeitsleistung erbracht hat, fehlt.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 04.02.2016; Aktenzeichen 3 Ca 2123/15) |
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 28.04.2016; Aktenzeichen 3 Ca 2123/15) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 04.02.2016 wird als unzulässig verworfen, soweit sie dazu verurteilt wurde, den dem Kläger mit Schreiben vom 05.05.2015 erteilten Verweis aus der Personalakte zu entfernen.
Im Übrigen werden die Berufungen der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 04.02.2016 und gegen das Schlussurteil vom 28.04.2016 zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung sowie über weitere Ansprüche.
Der 1985 geborene Kläger ist seit dem 17.05.2010 bei der Beklagten gegen ein monatliches Gehalt in Höhe von zuletzt 5.665,-- Euro brutto zuzüglich einer jährlichen Tantieme am Standort E beschäftigt, zuletzt auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 16.06.2014 als "Junior Engineer Projekthaus". Darin ist unter Ziffer 5 Satz 1 geregelt, dass sich die Arbeitszeit des Arbeitnehmers an der jeweiligen betriebsüblichen Soll-Arbeitszeit für AT-Mitarbeiter orientiert. Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrags wird auf ABl. 14 - 20 verwiesen.
Die für den Kläger geltende betriebliche Arbeitszeit folgt aus einer am 20.11.2006 vereinbarten "Gesamtbetriebsvereinbarung zur betriebsüblichen Soll-Arbeitszeit der nicht leitenden AT-Angestellten" nebst Ergänzungsvereinbarung, hinsichtlich deren Einzelheiten auf ABl. 54 - 56 Bezug genommen wird.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Stahlindustrie. Sie beschäftigt an mehreren Standorten regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.
Am 09.02.2015 fand ein Personalgespräch mit dem Kläger statt. Hinsichtlich des Inhalts wird auf einen Vermerk des Zeugen C vom 10.02.2015 auf ABl. 32 verwiesen.
Am 21.04.2015 verließ der Kläger gegen 12.00 Uhr sein Büro und gab an, er wolle am Nachmittag einen Termin in der Betriebsabteilung Fügetechnik wahrnehmen. Tatsächlich fand der Termin nicht statt, weil der betreffende Kollege Urlaub hatte. Der Kläger verließ an diesem Tag zu einem nicht geklärten Zeitpunkt das Betriebsgelände, ohne an einem dafür aufgestellten Lesegerät "auszustempeln". Aufgrund einer Betriebsvereinbarung über "Gleitende Arbeitszeit" vom 11.12.2008 (ABl. 41 - 46; Ergänzungsvereinbarung ABl. 47; Durchführungsbestimmungen mit Anlage ABl. 48 - 52; "Richtlinie für die Tätigkeit von Gleitzeitbeauftragten im Werk E" ABl. 53) war er gehalten, bei Zutritt und Verlassen des Betriebsgeländes seine Arbeitszeit durch Betätigung eines Lesegeräts zu erfassen. Per E-Mail vom 27.04.2015 (ABl. 154) gab er gegenüber der Mitarbeiterin der Beklagten Q für den fraglichen Tag an: "17:30 Uhr gehen".
Am 29.04.2015 fand mit dem Kläger ein weiteres Personalgespräch statt, an dem der Personalleiter der Beklagten, der Zeuge C, der Personalsachbearbeiter L, der Vorgesetzte der Klägers, der Zeuge N, sowie für den Betriebsrat der Zeuge C1 teilnahmen. Gegenstand des Gesprächs waren diverse Vorwürfe gegenüber dem Kläger, darunter - nach einer Unterbrechung des Gesprächs - auch sein Verlassen des Arbeitsplatzes am 21.04.2015. Die näheren Einzelheiten zum Gesprächsverlauf sind zwischen den Parteien streitig. Im Anschluss fertigte der Zeuge C eine handschriftliche Aktennotiz, hinsichtlich deren Einzelheiten auf ABl. 35 verwiesen wird. Der Kläger wurde nach dem Gespräch zunächst freigestellt und erhielt Gelegenheit, bis zum 07.05.2015, 9.00 Uhr, eine Eigenkündigung zum 30.06.2015 zu erklären.
Nachfolgend hörte die Beklagte mit Schreiben vom gleichen Tag den in ihrem Betrieb in E gebildeten Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung an. Das Anhörungsschreiben übergab der Zeuge C noch am 29.04.2015 der Betriebsratsvorsitzenden, der Zeugin C2. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf ABl. 30 - 31 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 05.05.2015 erteilte die Beklagte dem Kläger wegen fehlender Stundenbuchungen in einem Projektmanagementsystem "D"...