Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Auslegung bei eindeutigem Wortlaut. Vergleich über die tatsächlichen Grundlagen eines Anspruchs
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist eine Regelung wie z.B. ein gerichtlicher Vergleich in sich klar und schlüssig gefasst sowie sprachlich eindeutig formuliert, ist kein Ansatzpunkt für eine Auslegung gegeben und darf eine solche nicht vorgenommen werden.
2. Die Parteien können gem. § 779 BGB bei einem Streit über die tatsächlichen Grundlagen eines Anspruchs eine Regelung im Wege gegenseitigen Nachgebens vereinbaren (sog. Tatsachenvergleich).
Normenkette
BGB §§ 779, 145, 133, 387; BUrlG § 7 Abs. 4; BGB § 615
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 16.03.2022; Aktenzeichen 3 Ca 1592/21) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 16.03.2022 - 3 Ca 1592/21 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Zahlungsanspruch der Klägerin aus einem durch Vergleich beendeten Arbeitsverhältnis.
Mit Schreiben vom 15.12.2020, der Klägerin zugegangen am 16.12.2020, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristlos, hilfsweise fristgerecht. Gegen die Rechtswirksamkeit dieser Kündigung wandte sich die Klägerin in dem Kündigungsschutzverfahren 3 Ca 2962/20 vor dem Arbeitsgericht Hagen.
Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mit Schreiben vom 15.12.2020 bestand noch ein nicht erfüllter Urlaubsanspruch im Umfang von 27 Arbeitstagen für das Jahr 2020. Die Beklagte erteilte der Klägerin für Dezember 2020 eine Lohn- und Gehaltsabrechnung, in der ein Gehalt für Dezember 2020 (bis 15.12.2020) in Höhe von 956,67 Euro brutto und eine Urlaubsabgeltung für die genannten 27 Arbeitstage in Höhe von 2.122,32 Euro brutto abgerechnet wurde. Dies ergab einen Nettovergütungsanspruch in Höhe von 1.855,76 Euro, von dem die Beklagte eine offene Restforderung in Höhe von 200,00 Euro netto aus einem Arbeitgeberdarlehen in Abzug brachte und den sie in Höhe von 1.655,76 Euro netto am 29.12.2020 an die Klägerin auszahlte. Für den weiteren Inhalt der ursprünglich für Dezember 2020 erteilten Lohn- und Gehaltsabrechnung wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Kopien Bezug genommen (Bl. 8, 28 d. A.).
Am 30.06.2021 schlossen die Parteien in dem Kündigungsschutzverfahren 3 Ca 2962/20 vor dem Arbeitsgericht Hagen einen gerichtlichen Vergleich mit folgendem Inhalt:
1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 15.12.2020 nicht fristlos beendet worden ist.
2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch eine ordentliche fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 15.12.2020 mit Ablauf des 30.04.2021 aufgelöst worden wird aus betrieblichen Gründen.
3. Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und des damit verbundenen sozialen Besitzstandes zahlt die Beklagte an die Klägerin eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 7.500,00 Euro brutto.
4. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Klägerin seit Kündigungszugang bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der Vergütung, jedoch unter Anrechnung des ihr zustehenden Urlaubsanspruchs, von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt worden ist, so dass der gesamte Urlaubsanspruch der Klägerin durch Gewährung in natura erfüllt worden ist.
5. Die Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin eine ordnungsgemäße Schlussabrechnung des Arbeitsverhältnisses auszustellen und den sich daraus ergebenden Nettobetrag an die Klägerin, vorbehaltlich etwaiger Rechte Dritter, auszuzahlen. Hierbei besteht Einigkeit zwischen den Parteien, dass der Klägerin ein Vergütungsanspruch der Beklagten gegenüber nur bis einschließlich 31.03.2021 zusteht.
6. Die Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis, durchgehend gutes Arbeitszeugnis zu erteilen.
7. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.
Nach Abschluss des gerichtlichen Vergleichs erteilte die Beklagte der Klägerin eine korrigierte Lohn- und Gehaltsabrechnung für den Monat Dezember 2020 (Bl. 9, 56 d. A.) sowie weitere Lohn- und Gehaltsabrechnungen für die Monate Januar 2021 bis April 2021 (Bl. 52 - 55 d. A.). Die korrigierte Lohn- und Gehaltsabrechnung für Dezember 2020 sah keine Urlaubsabgeltung mehr vor. Die neu erteilten Abrechnungen sahen folgende, der Klägerin zustehenden Nettobeträge vor:
Dezember 2020: 1.429,75 €; Januar 2021: 1.449,22 €; Februar 2021: 1.449,22 €; März 2021: 1.449,22 €; April 2021 (Abfindung): 7.500,00 €. Dies ergab den Gesamtnettobetrag von 13.277,41 Euro.
Die Beklagte nahm in der Folgezeit nach Ermittlung des Gesamtnettobetrages noch folgende Zahlungen an die Klägerin vor: Am 03.08.2021 (gemäß Beklagtenvortrag) bzw. 04.08.2021 (gemäß Klägervortrag) zahlte die Beklagte 10.466,66 Euro netto an die Klägerin, am 03.08.2021 zahlte sie zudem 645,92 Euro netto an die Agentur für Arbeit (wegen erfolgtem Anspruchsüberg...