Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwingende Notwendigkeit einer zu klärenden Rechtsfrage zwecks Begründung der Vorgreiflichkeit. Keine Aussetzung des Verfahrens bei unklaren Feststellungen. Anforderungen an Aussetzung nach § 148 ZPO
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Vorgreiflichkeit iSd. § 148 ZPO liegt nur dann vor, wenn es auf die in dem anderen Rechtsstreit zu klärende Rechtsfrage im ausgesetzten Verfahren zwingend ankommt, weil alle anderen tatbestandlichen Voraussetzungen für die geltend gemachten Klageansprüche erfüllt sind.
2. So lange das Arbeitsgericht die für eine materiell-rechtliche Prüfung dieser Ansprüche notwendigen Feststellungen nicht vollständig getroffen hat, die Parteien dazu nicht abschließend vortragen konnten und Gründe denkbar sind, weshalb eine Klage auch aus anderen Gründen als der vom Arbeitsgericht für vorgreiflich gehaltenen Rechtsfrage der Erfolg versagt sein kann, lässt sich eine Aussetzung im Beschwerdeverfahren nicht halten.
Normenkette
ZPO § 148; BGB § 613a
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 04.11.2021; Aktenzeichen 2 Ca 4808/21) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 17.03.2021; Aktenzeichen 15 Ca 2084/20) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Aussetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 04.11.2021 - 2 Ca 4808/21 - aufgehoben.
Gründe
I.
Der Kläger war seit dem 01.09.1981 in der W Niederlassung der späteren Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Mit Schreiben vom 27.03.2020 und 14.07.2020 kündigte diese das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger jeweils außerordentlich und hilfsweise ordentlich. Mit Urteil vom 17.03.2021 - 15 Ca 2084/20 - stellte das Arbeitsgericht Köln fest, dass die Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst haben. Zugleich verurteilte das Arbeitsgericht die spätere Insolvenzschuldnerin zur Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens. Das Berufungsverfahren ist bei dem Landesarbeitsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 11 Sa 339/21 anhängig.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 01.07.2021 erfolgte die Insolvenzeröffnung. Mit Schriftsatz vom 20.07.2021 nahm der Insolvenzverwalter das Berufungsverfahren auf. Termin zur mündlichen Verhandlung ist bestimmt auf den 12.01.2022.
Im Juli 2021 informierte die Beklagte die Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin darüber, dass sie den Geschäftsbetrieb zum 01.07.2021 vom Insolvenzverwalter gekauft habe. Sie wies ferner darauf hin, dass es sich um eine Betriebsübernahme im Sinne des § 613 a BGB handele und dass die Arbeitsverhältnisse mit der Insolvenzschuldnerin auf sie, die Beklagte, zum 01.07.2021 übergegangen seien.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 19.08.2021 wies der Kläger die Beklagte auf das nach seiner Ansicht fortbestehende Arbeitsverhältnis hin und forderte sie vergeblich auf, seinen Beschäftigungsanspruch anzuerkennen und die Vergütung für die Monate Juli und August 2021 zu zahlen.
Mit der vorliegenden, am 08.09.2021 bei dem Arbeitsgericht anhängig gemachten und der Beklagten am 11.09.2021 zugestellten Klage begehrt der Kläger
1. festzustellen, dass das zwischen ihm und der K GmbH, N Str. , N , begründete Arbeitsverhältnis zu unveränderten Arbeitsbedingungen mit der Beklagten fortbesteht;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Leiter Einkauf zu beschäftigen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn brutto 21.082,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basszinssatz aus jeweils 6.527,41 EUR seit dem 01.08. und 01.09.2021 sowie aus 8.027,41 EUR seit dem 01.10.2021 zu zahlen.
Nach Durchführung der Güteverhandlung hat der Kammervorsitzende den Rechtsstreit nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 04.11.2021 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits ArbG Köln - 15 Ca 2084/20 / LAG Köln - 11 Sa 339/21 - ausgesetzt und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Rechtsstreit 15 Ca 2084/20 sei vorgreiflich iSd. § 148 ZPO. Denn die in diesem Rechtsstreit zu klärende Wirksamkeit der Kündigungen sei Voraussetzung für die vom Kläger im hiesigen Rechtsstreit geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte als Betriebserwerberin. Die Aussetzung sei auch ermessensgerecht. Denn die Beklagte sei an dem Vorprozess nicht beteiligt und habe auf diesen auch keinen Einfluss. Sie sei an das erstinstanzliche Urteil derzeit in keiner Weise - auch nicht vorläufig- gebunden. Eine Bindung würde für die Beklagte als Rechtsnachfolger gemäß § 325 Abs. 1 ZPO erst mit Rechtskraft des Urteils eintreten. Für eine Aussetzung spreche zudem, dass die mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren bereits im Januar 2022 anstehe. Eine durch die Aussetzung eintretende Verfahrensverzögerung wäre damit nur von kurzer Dauer, zumal die erkennende Kammer derzeit kurze Terminierungsfristen habe. Die Aussetzung diene auch der Prozessökonomie, damit die unterlegene Partei nicht in ein ggf. überflüssiges und kostenintensives Berufungsverfahren getrieben werde. Die persönliche Situation des Klägers spreche nicht gegen eine Aussetzung....