Entscheidungsstichwort (Thema)
Beteiligung des Betriebsrats im Verfahren der beabsichtigten Kündigung eines Wahlbewerbers zum Betriebsrat in einem bislang betriebsratslosen Betrieb. Zulässigkeit des Antrags auf Erteilung der Zustimmung durch das Arbeitsgericht
Leitsatz (amtlich)
1. Beantragt ein Arbeitgeber analog § 103 Abs. 2 BetrVG die Zustimmung des Arbeitsgerichts zu der beabsichtigten Kündigung eines Wahlbewerbers in einem bislang betriebsratslosen Betrieb und wird im Verlauf des Verfahrens ein Betriebsrat gewählt, ist der Betriebsrat von Amts wegen an dem Verfahren zu beteiligen.
2. Bei Bestehen eines Betriebsrats ist ein Antrag auf Erteilung der Zustimmung durch das Arbeitsgericht unstatthaft. Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses und der konstituierenden Sitzung des Betriebsrats wird ein anhängiger Zustimmungserteilungsantrag unzulässig. Hält der Arbeitgeber an seiner Kündigungsabsicht fest, muss er beim neu gebildeten Betriebsrat gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG die Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung beantragen. Erteilt der Betriebsrat die Zustimmung, erledigt sich das arbeitsgerichtliche Zustimmungserteilungsverfahren. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, ist der Arbeitgeber gehalten, seinen Zustimmungserteilungsantrag auf einen Antrag auf Ersetzung der Zustimmung umzustellen.
3. Hat es der Arbeitgeber unterlassen, die Zustimmung beim Betriebsrat zu beantragen, ist ein gerichtlicher Zustimmungsersetzungsantrag unzulässig. Die Beteiligung des Betriebsrats an dem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ersetzt nicht das innerbetriebliche Verfahren nach § 103 Abs. 1 BetrVG.
Normenkette
BetrVG § 103 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 19.09.2018; Aktenzeichen 5 BV 11/18) |
Tenor
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten N Y .
Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen zur Kommissionierung, Verladung und Verkauf von Obst, Gemüse und Blumen. Ein Betriebsrat existierte in ihrem Betrieb zunächst nicht.
Der Beteiligte N Y ist aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 01.03.2015 seit dem 02.03.2015 bei der Antragstellerin als Kommissionierer zuletzt in einer Wechselschicht bestehend aus Früh-, Mittel- und Spätschicht beschäftigt. Seine monatliche Vergütung beträgt 2.200,00 Euro brutto zuzüglich Überstundenvergütung. Herr N Y war Wahlbewerber für die auf den 20.03.2018 angesetzte Betriebsratswahl.
In einem Gespräch vom 23.02.2018 zwischen dem Beteiligten N Y , seinen Kollegen S C , M C und dem Lagerleiter L ging es um die Übernahme von weiteren Tätigkeiten durch Herrn N Y , nämlich um eine morgendliche Ameisenkontrolle in der Frühschicht, sowie um die Ermittlung des Bestands der Leerpaletten und der leeren EPS-Steigen nach Arbeitsbeginn in der Frühschicht und zum Ende des Arbeitstages in der Spätschicht. Der nähere Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Beteiligten streitig. Die Antragstellerin behauptet, Herr N Y sei angewiesen worden, die Tätigkeiten sofort aufzunehmen.
Herr N Y führte die Kontrolle und Bestandsaufnahme in der Folgezeit, anders als Herr M C , nicht aus.
Am 27.02.2018 kam es zu einer Unterredung zwischen dem Geschäftsführer Sc , dem Lagerleiter L , dem Schichtleiter K und dem Beteiligten N Y . Der genaue Inhalt des Gesprächs zwischen den Beteiligten streitig. Unstreitig erklärte Herr Sc jedoch gegenüber dem Beteiligten N Y : „Du brauchst die Tätigkeiten natürlich nicht erledigen. Dann kannst du aber dauerhaft nicht mehr in der Schicht tätig sein“.
Mit Schreiben der Prokuristin Kl vom 27.02.2018 erteilte die Antragstellerin Herrn N Y eine Abmahnung, weil er bis zum 27.02.2018 die am 23.02.2018 gegebene Anweisung nicht befolgt habe. In der Abmahnung, die dem Beteiligten N Y am 28.02.2018 zuging, heißt es:
„Daher hat Ihnen der Geschäftsführer Herr W Sc am 27.02.2018 erneut diese Anweisung erteilt. Im Beisein von Herrn H L und ihrem Schichtleiter A K , hat er Sie darauf hingewiesen, dass Sie diese Aufgaben ab sofort regelmäßig und zuverlässig zu erledigen und zu dokumentieren haben, und andernfalls eine Arbeitsverweigerung Ihrerseits vorliegt. Sie haben daraufhin gesagt, dass Sie diese Aufgaben nicht übernehmen werden, wenn Sie hierfür keine Gehaltserhöhung erhalten.
Ihr Verhalten am 23.02.2018 und am 27.02.2018 stellt eine Arbeitsverweigerung dar, wegen der wir Sie hiermit abmahnen.
Wir müssen Sie ganz eindringlich bitten, hinfort Ihren Pflichten als Arbeitnehmer der W Sc GmbH zu genügen und die genannten Aufgaben, die zu den Tätigkeiten eines Kommissionierers im Schichtbetrieb gehören, ab sofort regelmäßig und zuverlässig zu erledigen und zu dokumentieren. Sollte sich eine vergleichbare Pflichtverletzung wiederholen, müssen Sie mit einer Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses, gegebenenfalls auch fristlos, rechnen.“
Am 28.02.2018 kam es wegen der von der Antragstel...