Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialauswahl. Insolvenz. Namensliste

 

Leitsatz (amtlich)

Die grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl mit Namensliste nach § 125 InsO ist als Prüfungsmaßstab auch bei der Bildung der Vergleichsgruppen anzuwenden (BAG – 2 AZR 368/02 –). Eine grob fehlerhafte Sozialauswahl liegt nicht vor, wenn die Gruppenbildung berücksichtigt, dass eine Umsetzung, Neuschulung und Neueinarbeitung weitgehend vermieden wird. Damit sind Mitarbeiter, die in der Vergangenheit eine Maschine noch nie bedient haben, nicht mit Mitarbeitern vergleichbar, die schon an dieser Maschine gearbeitet haben.

 

Normenkette

InsO § 125; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 22.06.2004; Aktenzeichen 13 (11) Ca 9933/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.06.2004 – 13 (11) Ca 9933/03 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Auf die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß §§ 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zugesprochen, da es die Sozialauswahl nach § 125 InsO gegenüber dem Mitarbeiter B für grob fehlerhaft hält. Mit der Berufung vertieft der Beklagte seinen Vortrag, der Mitarbeiter B sei nicht mit dem Kläger vergleichbar, da der Kläger nicht in vollem Umfange dieselben Tätigkeiten wie der Mitarbeiter B verrichtet habe. Letzterer sei gegenüber dem TÜV als zeichnungsberechtigter Mitarbeiter benannt. Unstreitig könne der Mitarbeiter B aber nicht schweißen. Der Schwerpunkt der Tätigkeiten des Klägers liege im Durchführen von einfachen Schweißarbeiten im Edelstahlbereich. Die Kenntnisse des Mitarbeiters B seien darüber hinaus auf alle Kesseltypen bezogen und damit vielfältiger. Hierauf hat der Kläger erwidert, tatsächlich seien seine Kenntnisse höher und seine Tätigkeiten hochwertiger. Dies sei auch dadurch belegt, dass er in Vergütungsgruppe VI, der Mitarbeiter B nur in Vergütungsgruppe V eingruppiert sei und er 20,00 EUR Stundenlohn erhalte, während der Mitarbeiter B nur 15,00 EUR verdiene. Zu seiner höherwertigen Tätigkeit habe er den Mitarbeiter B voll umfänglich einschließlich der Abnahmeprüfung während dessen Urlaubs- und Erkrankungszeiten vertreten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.06.2004 – 13 (11) Ca 9933/03 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige und im übrigen fristgerechte Berufung ist begründet und führt zur Abänderung des Urteils.

Die Kündigung ist nach § 125 InsO, der vorliegend anwendbar ist, i.V. mit § 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Das Gericht legt dabei die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus der Entscheidung vom 28.08.2003 – 2 AZR 368/02 – zugrunde. Danach reduziert die gesetzliche Regelung des § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO den Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer vom Insolvenzverwalter erklärten betriebsbedingten Kündigung mit Namensliste. Mit der Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle auf grobe Fehler wird zugleich der Prüfungsmaßstab gesenkt. Der Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers bei der sozialen Auswahl wird zugunsten einer vom Insolvenzverwalter und Betriebsrat vereinbarten betrieblichen Gesamtlösung erweitert. Dabei bezieht sich der Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit nicht nur auf die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung selbst. Vielmehr wird die gesamte Sozialauswahl, insbesondere auch die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen, von den Gerichten für Arbeitssachen nur auf grobe Fehler überprüft.

Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung gebieten eine weite Anwendung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs bei der Sozialauswahl. § 125 InsO dient der Sanierung insolventer Unternehmen. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass das Überleben eines nur eingeschränkt fortführbaren Betriebs davon abhängt, dass die notwendige Umstrukturierung im Bereich der Personalbesetzung zügig durchgeführt werden kann und Rechtssicherheit bietet. Deshalb wird im Insolvenzfall der individuelle Kündigungsschutz aus § 1 des KSchG zugunsten einer kollektivrechtlichen Regelungsbefugnis der Betriebsparteien eingeschränkt. Den Arbeitnehmern, die durch Ausübung ihres Wahlrechts Einfluss auf die Besetzung des Betriebsrats haben, wird zugemutet, sich einer übereinstimmenden Einschätzung von Betriebsrat und Insolvenzverwalter hinsichtlich der Richtigkeit der Sozialauswahl und auch hinsichtlich der auswahlrelevanten Gruppen zu unterwerfen. Der Insolvenzverwalter soll nicht in eine Fülle von langwierigen und schwerkalkulierbaren Kündigungsschutzprozesse gezogen werden. Durch den Einfluss des Betriebsrats wird deshalb im Insolvenzfall regelmäßig eine ausreichende Gewichtung der sozialen Komponenten herbeigeführt. Die Richtigkeit der Namensliste kann deshalb nur in Ausnahmefällen in Frage gestellt werden. Diese Ausnahmefälle darzustellen und zu beweisen ist nach dem Willen des Gesetzgeb...

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