Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsstellung der Arbeitnehmerin im unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen eines Entgeltanspruchs aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges im unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis. Zum tatsächlichen Angebot - zum wörtlichen Angebot - zur Entbehrlichkeit des Angebots - zum Unvermögen der Schuldnerin.

2. Im unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis ist die arbeitsunfähige Arbeitnehmerin nicht verpflichtet, die Arbeitgeberin über ihre Wiedergenesung zu unterrichten. Die Voraussetzungen der Einwendung aus § 297 BGB hat vielmehr die Arbeitgeberin darzulegen, die aus dieser Rechte herleitet (so schon BAG v. 19.04.1990 - 2 AZR 591/89 - und v. 24.11.1994 - 2 AZR 179/94 -).

 

Normenkette

BGB §§ 293-297

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 28.08.2018; Aktenzeichen 4 Ca 3577/17)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 28.08.2018 - 4 Ca 3577/17 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Entgeltansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für die Zeit nach Ablauf einer Kündigungsfrist einer Kündigung, deren Unwirksamkeit in der Zwischenzeit rechtskräftig erkannt worden war.

Die Klägerin war seit August 1989 bei der Beklagten beschäftigt und erhielt dafür zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 1.030,13 EUR. Mit Schreiben vom 28.10.2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2015, also unter Einhaltung einer Frist von 7 Monaten. Für die Zeit ab dem 08.11.2014 (also ab dem 12. Tag nach Kündigungszugang) bis zum 07.06.2015 (also bis zum 7. Tag nach Ablauf der Kündigungsfrist 7 Monate später) war die Klägerin krankgeschrieben. Für die Zeit der 6 Wochen Entgeltfortzahlung, also bis Ende Dezember 2014, wies die Klägerin unstreitig ihre Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach. Ob sie danach Mitteilungen des Arztes für die Krankenkasse oder sonstige Nachweise über eine bestehende Arbeitsunfähigkeit an den Arbeitgeber weitergeleitet hat, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls hat die Klägerin die Beklagte nicht ausdrücklich darüber informiert, dass ihre Arbeitsunfähigkeit am 08.06.2016 ihr Ende gefunden hat.

Die von der Klägerin gegen die ihr gegenüber ausgesprochene Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage ist zunächst vom Arbeitsgericht - 2 Ca 4064/14 - abgewiesen worden. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben - 11 Sa 113/16. Das Bundesarbeitsgericht hat eine Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurückgewiesen - 2 AZN 344/17. Das Arbeitsverhältnis bestand also über den 31.05.2015 hinaus fort. Sein Ende hat es schließlich durch eine fristlose Kündigung der Beklagten vom 27.12.2016 gefunden, die die Klägerin nicht mehr gerichtlich angegriffen hat.

In der Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist und nach Wiedergenesung, also ab dem 08.06.2015 hat die Klägerin Leistungen der Bundesagentur für Arbeit erhalten bzw. Entgelt eines anderen Arbeitgebers in dem im Folgenden dargestellten Umfang:

08.06.2015 bis 31.12.2015

3.686,48 EUR

Arbeitslosengeld

01.01.2016 bis 14.04.2016

1.888,64 EUR

Arbeitslosengeld

15.04.2016 bis 31.08.2016

3.741,80 EUR

Bruttoentgelt von anderem Arbeitgeber (NKD Deutschland)

Im Monat September 2016 erzielte die Klägerin keinen anderen Verdienst. Ihre ursprünglich erhobene Annahmeverzugsforderung für diesen Monat, die vom Arbeitsgericht abgewiesen worden ist, ist aber auch nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Ab dem 01.10.2017 ist die Klägerin bei einem weiteren neuen Arbeitgeber tätig. Für die Zeit ab diesem Tag hat die Klägerin keine Ansprüche mehr geltend gemacht.

Mit der seit dem 28.09.2017 anhängigen und seit dem 20.10.2018 rechtshängigen Klage hat die Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges die Zahlung von Entgelt für den Zeitraum vom 01.06.2015 bis 30.09.2016 unter Berücksichtigung des Zwischenverdienstes von anderen Arbeitgebern (abgezogener Bruttobetrag) und ebenfalls unter Berücksichtigung des in diesem Zeitraum geflossenen Arbeitslosengeldes (ausdrücklich im Antrag benannter Nettobetrag) begehrt.

Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, nach ihrer Auffassung müsse sie bei Gesundung nach Ablauf der Kündigungsfrist einer Kündigung, die sich als rechtswidrig und daher wirkungslos herausgestellt habe, nicht erneut ihre Arbeitswilligkeit, Arbeitsfähigkeit und Arbeitsbereitschaft anzeigen. Ab dem 08.06.2015 sei sie wieder arbeitsfähig gewesen. Die Tätigkeit bei N , aus der sie bis zum 31.08.2016 anderweitigen Verdienst erzielt habe, habe sie aus gesundheitlichen Gründen durch Eigenkündigung beenden müssen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 12.549,05 EUR brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 5.575,12 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basisz...

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