Entscheidungsstichwort (Thema)
Arrestanspruch. Arrestgrund. Vollstreckungsgefährdung. gesellschaftsrechtliche Verflechtungen im Ausland
Leitsatz (amtlich)
1. Sieht ein Aufhebungs-/Abwicklungsvertrag die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung vor, so geht der Abfindungsanspruch regelmäßig unter, wenn das Arbeitsverhältnis im Wege überholender Kausalität aufgrund einer während der Kündigungsfrist erfolgenden fristlosen verhaltensbedingten Kündigung endet.
2. Ein Arrestgrund i. S. v. § 917 Abs. 1 ZPO setzt nur voraus, ob bestimmte Umstände, Vorkommnisse oder Handlungen objektiv die Besorgnis rechtfertigen, dass eine spätere Zwangsvollstreckung gefährdet sei. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob der Schuldner unlautere Absichten verfolgt, und auch nicht darauf, ob er rechtswidrig und/oder schuldhaft handelt.
3. Im Übrigen Parallelsache zu 7 SaGa 14/09 vom 10.12.2009.
Normenkette
ZPO § 916 ff.
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 22.10.2009; Aktenzeichen 8 Ga 140/09) |
Tenor
Die Berufung der Arrestbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.10.2009 in Sachen 8 Ga 140/09 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Antrag auf Erlass eines dinglichen Arrestes wegen einer vermeintlichen Forderung des Arrestklägers gegen die Arrestbeklagte in Höhe von 740.000,00 EUR brutto abzüglich bereits gezahlter 290.000,00 EUR netto zuzüglich Zinsen auf den Differenzbetrag.
In dem Verfahren umgekehrten Rubrums 7 SaGa 14/09 begehrte die hiesige Arrestbeklagte ihrerseits gegen den hiesigen Arrestkläger den Erlass eines dinglichen Arrestes wegen einer vermeintlichen Forderung in Höhe von 290.000,00 EUR nebst Zinsen.
Die Arrestbeklagte handelt und vertreibt in Deutschland Teppiche. Der Jahresumsatz in Deutschland lag bei einer Größenordnung von etwa 5 Millionen Euro. Die Arrestbeklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft der S., einer Aktiengesellschaft türkischen Rechts. Die S Gruppe ist international tätig und erwirtschaftet Umsätze von jährlich etwa 80 Millionen Euro.
Der Arrestkläger wurde mit Anstellungsvertrag vom 03.08.2004 zum 01.08.2004 bei der Arrestbeklagten als „Vertriebsleiter für Europa” eingestellt. Sein Jahresgehalt betrug nach Angaben der Arrestbeklagten zuletzt 154.324,20 EUR brutto. Der Arrestkläger hatte einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf einen Pkw der gehobenen Mittelklasse, den er auch privat nutzen durfte. Gemäß § 8 S. 2 des Anstellungsvertrages vom 03.08.2004 hatten die Parteien für die Zeit nach Ablauf eines Jahres ab Einstellung eine beiderseitige Kündigungsfrist von 12 Monaten zum Ende eines Kalendermonats vereinbart.
§ 7 c) des Anstellungsvertrages hat folgenden Wortlaut:
„Herr C erhält für den Fall, dass eine Kündigung des Vertragsverhältnisses betriebsbedingter Art ausgesprochen wird, von der Arbeitgeberin eine Abfindung entsprechend den Regeln des Kündigungsschutzgesetzes. Die Höhe der Abfindung beträgt bezogen auf den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsvertrages 10 % des Bruttoumsatzes der letzten 12 Monate, die das Unternehmen erzielen konnte. Die Abfindung ist fällig mit dem Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses.”
Mit Schreiben vom 25.06.2009 wies die türkische Muttergesellschaft den damaligen Geschäftsführer der Arrestbeklagten, Herrn M, schriftlich an, dass Arbeitsverhältnis mit dem Arrestbeklagten zu beenden. Darin gab sie dem Geschäftsführer vor, den Kündigungstext u. a. wie folgt zu gestalten:
„Infolge betrieblicher Gründe kündigen wir das Arbeitsverhältnis mit Ihnen zur gesetzlichen Frist vom 31.07.2009. (…)
Bitte geben sie den Firmenwagen mit Papieren und mit Schlüssel spätestens bis zum 31.07.2009 ab. (…)”
Durch Schreiben des Geschäftsführers B vom 29.06.2009, dem Arrestkläger übergeben am selben Tage, kündigte die Arrestbeklagte daraufhin das Arbeitsverhältnis „aus betriebsbedingten Gründen zum 31.07.2009”. Der Arrestkläger wurde aufgefordert, das Firmenfahrzeug spätestens am 31.07.2009 zurückzugeben.
Am 08.07.2009 zahlte der Geschäftsführer B namens der Arrestbeklagten an den Arrestkläger einen Betrag in Höhe von 290.000,00 EUR.
Mit Anwaltsschreiben an den Arrestkläger vom 09.07.2009 nimmt die Arrestbeklagte „die Ihnen gegenüber unter dem 29.06.2009 ausgesprochene Kündigung, die betriebsbedingt erfolgt war, zurück und bietet Ihnen die Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses zu den Bedingungen an, die zwischen unserer Mandantin und Ihnen am 29.06.2009 bestanden haben.” Im selben Schreiben lässt die Arrestbeklagte den Arrestkläger auffordern, die erhaltenen 290.000,00 EUR bis zum 15.07.2009 zurückzuzahlen, da für die Zahlung – jedenfalls zu diesem Zeitpunkt – kein wie auch immer gearteter Rechtsgrund ersichtlich sei.
Ebenfalls am 09.07.2009 erhielt der damalige Geschäftsführer B eine fristlose Kündigung. Er wurde als Geschäftsführer abberufen. Mit Schreiben seiner damaligen anwaltlichen Bevollmächtigten vom 14.07.2009 ließ der Arrestkläger das Angebot der Arrestbeklagten mit...