Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Versetzung. Sozialauswahl. Lebensalter als Sozialauswahlkriterium
Leitsatz (amtlich)
1. Das Lebensalter hat als soziales Auswahlkriterium i. S. v. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG ambivalente Bedeutung Es erhöht die soziale Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers, soweit es seine Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigt, verliert jedoch wiederum an Gewicht, je mehr es sich dem Renteneintrittsalter annähert.
2. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber davon ausgeht, dass einer 61 Jahre alten – seit 40 Jahren beschäftigten – ledigen Arbeitnehmerin eine betriebsbedingte Versetzung von Köln nach Frankfurt/Main eher zuzumuten ist als einer 45 Jahre alten – seit 22 Jahren beschäftigten – Mutter zweier schulpflichtigen Kinder, die mit ihrer Arbeit wesentlich zum Familieneinkommen beiträgt.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2-3
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 11.11.2004; Aktenzeichen 8 Ca 11942/03) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.11.2004 in Sachen 8 Ca 11942/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und wegen der Gründe, die die 8. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 11.11.2004 Bezug genommen.
Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde der Klägerin am 17.03.2005 zugestellt. Sie hat hiergegen am Montag, dem 18.04.2005 Berufung einlegen und diese – nach Verlängerung der Frist bis zum 17.06.2005 – am 07.06.2005 begründen lassen.
Die Klägerin wiederholt ihre Ansicht, dass die seinerzeit am Standort K verbleibende Sekretariatsstelle im Wege der Sozialauswahl ihr zugestanden hätte. Dies folge daraus, dass sie erheblich älter sei und über eine wesentlich längere Betriebszugehörigkeit verfüge, als die von der Beklagten bevorzugte Mitarbeiterin D. Die Frage der Unterhaltsverpflichtung spiele in dieser Hinsicht nur eine nachgeordnete Rolle. Auch bestreitet die Klägerin, dass die Mitarbeiterin D aufgrund einer Arbeitslosigkeit ihres Mannes zum Zeitpunkt der Kündigung Alleinverdienerin gewesen sei. Schließlich weist sie darauf hin, dass für sie der vorzeitige Eintritt in den Ruhestand zu erheblichen finanziellen Einbußen geführt habe, deren Höhe sie mit cirka 200,- bis 250,– EUR monatlich angibt.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln (8 Ca 11942/03) aufzuheben und festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 25.09.2003, zugestellt am 29.09.2003, sozial ungerechtfertigt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe und vertritt die Auffassung, dass die Meinung der Klägerin, wonach die Frage der Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Kriterien des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit bei der Sozialauswahl nur eine untergeordnete Rolle spiele, gesetzwidrig sei.
Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat die Beklagte am Standort K keine Niederlassung mehr betrieben und ist mittlerweile auch die Mitarbeiterin D am Standort F beschäftigt.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft und wurde im Rahmen der in § 66 Abs. 1 vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.
II. Die Berufung der Klägerin konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die seitens der Beklagten gegenüber der Klägerin ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung vom 25.09.2003 weder gemäß § 1 Abs. 2 KSchG noch gemäß § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt ist und somit das Arbeitsverhältnis der Parteien rechtswirksam zum 30.04.2004 aufgelöst hat. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung umfassend, überzeugend und lebensnah begründet. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts stehen in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Berufungsgericht kann daher an die Entscheidungsgründe des angegriffenen arbeitsgerichtlichen Urteils anknüpfen und sich aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz zusammenfassend und ergänzend auf das Folgende beschränken:
1. Für die Beurteilung der streitigen Kündigung ist maßgeblich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt ihres Ausspruchs am 29.09.2003 abzustellen. Zum damaligen Zeitpunkt war aufgrund der von der Beklagten durchgeführten Umstrukturierung unstreitig in der Niederlassung K nur noch eine einzige Sekretariatsstelle übrig geblieben. Für diese Stelle kamen nach ihrer bisherigen Tätigkeit und ihren arbeitsvertraglichen Vereinbarungen sowohl die Klägerin als auch die Kollegin D in Betracht. Zwischen beiden hatte somit eine Sozialauswahl stattzufinden.
2. Andererseits st...