Revision

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Allgemeine Feststellungsklage. Streitgegenstand. doppelte Rechtshängigkeit. erneute Betriebsratsanhörung bei unverändertem Kündigungs- Sachverhalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage, ob der neben einer Kündigungsschutzklage gestellte allgemeine Feststellungsantrag (§ 256 ZPO) alle bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung 1. Instanz objektiv bestehenden Beendigungstatbestände (hier: weitere Kündigung) auch dann erfaßt, wenn sie auf Frage des Gerichts nicht in das Verfahren eingeführt worden sind.

2. Zum Prozesshindernis anderweitiger Rechtshängigkeit, wenn der Arbeitnehmer gegen die weitere Kündigung beim Arbeitsgericht gesondert Kündigungsschutzklage einreicht, gegen die als unzulässig abgewiesene allgemeine Feststellungsklage Berufung einlegt und später auf die Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG „umsteigt”.

3. Nach Zugang einer unwirksamen Kündigung ist vor einer erneuten Kündigung eine nochmalige Betriebsratsanhörung auch bei unverändertem Kündigungssachverhalt erforderlich.

 

Normenkette

ZPO § 256; KSchG § 4; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Urteil vom 06.06.2002; Aktenzeichen 4 Ca 1190/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 06.06.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg – 4 Ca 1190/02 G – abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch durch die Kündigung der Beklagten vom 18.03.2002 nicht beendet worden ist.
  2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
  4. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Der am 28.02.1967 geborene Kläger, der verheiratet ist und drei Kinder hat, ist seit dem 19.07.1989 bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie. Durch einen Arbeitsunfall im Jahr 1992, der durch einen Dritten verursacht wurde, verlor der Kläger drei Finger seiner rechten Hand. Nach seiner Wiedergenesung wurde er zunächst in die Abteilung Spritzereikette versetzt. Durch den Rückgang der Chromteilfertigung erfolgte 1998 eine Umsetzung in die KTL-Anlage. Werksärztliche Untersuchungen ergaben eine Eignung für diese Tätigkeit. Zuletzt war der Kläger als Maschinenarbeiter tätig. Nach seinem Arbeitsunfall hatte der Kläger zunächst einen Grad der Behinderung von 50 %, der mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 05.03.2002 auf 60 % erhöht wurde.

Unter dem 01.12.1999 erhielt der Kläger eine Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung, der er unter Hinweis auf eine Entzündung im Arm entgegentrat. Am 07.06.2000 erhielt er eine Abmahnung wegen Unpünktlichkeit. Der Kläger ist im Wechsel in Früh- und Spätschicht eingesetzt. Wegen seiner Behinderung ist er von der Nachtschicht befreit. Am 16.01.2002 wurde für den Kläger ein Schichtwechsel, beginnend mit der kommenden Kalenderwoche angeordnet. Der Kläger sollte mit der Früh- und nicht der Spätschicht beginnen. Grund hierfür war die Einschätzung des Vorgesetzten, den Kläger und einen weiteren Kollegen, der mit ihm bislang in gleicher Schicht tätig war, zu trennen, weil es – was zwischen den Parteien streitig ist – zu Mitarbeiterbeschwerden über den Arbeitseinsatz des Klägers und dieses anderen Kollegen gekommen sei. Der Kläger lehnte den Schichtwechsel ab. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger in einem daraufhin anberaumten Personalgespräch am Freitag, dem 18.01.2002, nicht nur bei seiner ablehnenden Haltung geblieben ist, sondern in diesem Zusammenhang krankheitsbedingtes Fehlen ab dem kommenden Montag, an dem der Schichtwechsel durchgeführt werden sollte, angekündigt hat. Nach dem Personalgespräch ließ sich der Kläger von der Ärztin B. für den 18.01.2002 krank schreiben. Vom 21.01. bis zum 08.02.2002 war er von seinem Arzt Dr. H. krankgeschrieben worden. Die Ärzte attestierten ein HWS-Schulter-Nacken-Arm-Syndrom links. Der Kläger führt seine Krankheitsbeschwerden darauf zurück, dass er infolge der Verletzung seines rechten Armes häufig den linken Arm überbeanspruche.

Mit Schreiben vom 21.01.2002 (Blatt 34 – 38 d. A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zur fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung des Klägers an. Als Kündigungsgrund nannte sie im Wesentlichen die wiederholte Ablehnung der Schichtverlegung und Krankheitsankündigung. Der Betriebsrat widersprach der Kündigungsabsicht am 22.01.2002. Nach Zustimmungserteilung des Integrationsamtes zur beabsichtigten fristlosen Kündigung am 05.02.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom selben Tag fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31.05.2002. Gegen diese Kündigung hat der Kläger am 12.02.2002 Kündigungsschutzklage eingereicht.

Der Kläger hat beantragt,

    1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung der beklagten Partei vom 05.02.2002, zugegangen am 05.02.2002, nicht aufgelöst worden ist;
    2. b) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der beklagten Partei vom 05.02.2002...

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