Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltendmachen eines Steuerschadens bei einer Pflichtverletzung in Form einer vorzeitig ausgezahlten Abfindung als Schadensersatz
Leitsatz (amtlich)
Ein Steuerschaden kann bei einer Pflichtverletzung in Form einer vorzeitig ausgezahlten Abfindung als Schadensersatz geltend gemacht werden. Ob in einem Aufhebungsvertrag eine von § 271 Abs. 2 BGB abweichende Parteivereinbarung getroffen wurde, ist anhand der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB zu beurteilen. Zwar ergibt sich weder aus der Natur des Aufhebungsvertrages ein rechtlich geschütztes Interesse daran, die Abfindung nicht bereits im Monat der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern erst im Folgemonat entgegennehmen zu müssen noch besteht eine Verkehrssitte, wonach eine Abfindung im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ende eines Jahres aus steuerlichen Gründen stets erst im Folgejahr gezahlt wird. Aus der Entstehungsgeschichte einer Vereinbarung sowie den Äußerungen der Parteien im Vorfeld kann sich aber durchaus ergeben, dass die Parteien einen festen Auszahlungstermin ohne vorzeitige Erfüllbarkeit vereinbart haben. Auch die Interessenlagen der Parteien können im Rahmen der Auslegung berücksichtigt werden, wenn sie für die jeweils andere Vertragspartei bei Vertragsschluss erkennbar waren.
Normenkette
BGB § 271 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 11.10.2023; Aktenzeichen 2 Ca 2291/23) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.10.2023- 2 Ca 2291/23 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger denjenigen Schaden zu ersetzen, der sich in Form eines steuerlichen Nachteils im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Jahre 2022 und 2023 daraus ergibt, dass die Abfindung in Höhe von 75.000,00 EUR von der Beklagten im Jahr 2022 statt im Januar 2023 an den Kläger gezahlt wurde
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 55% und die Beklagte zu 45%.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte auf den Ersatz eines Steuerschadens.
Der am .1962 geborene Kläger war bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt.
Im Herbst 2021 wurde der Kläger zu einem Gespräch mit seiner Vorgesetzten Frau C und dem Bereichsleiter Herrn W geladen. Dabei wurde der Kläger gefragt, ob er sich vorstellen könnte, bereits Ende 2022 das Unternehmen zu verlassen. Da der Kläger offen für ein entsprechendes Angebot war, fand am 29.09.2021 ein weiteres Personalgespräch statt. An diesem nahm neben dem Kläger sowie Frau C und Herrn W auch die Mitarbeiterin der Personalabteilung Frau K teil. Der Kläger erbat sich Bedenkzeit und ließ sich anschließend bei der Rentenversicherung sowie bei seiner Steuerberaterin beraten. In einem nachfolgenden Gesprächstermin im Büro der Frau K, bei welchem Frau C online zugeschaltet war, forderte der Kläger eine Abfindung in Höhe von 75.000,00 EUR und die Auszahlung der Abfindung im Januar 2023. Anschließend wurde von Frau K ein Entwurf eines Aufhebungsvertrages (Bl. 83 ff. der erstinstanzlichen Akte) erstellt und dem Kläger vorgelegt. Der Entwurf sah eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2022 vor. In Bezug auf die Fälligkeit der Abfindungszahlung regelte der Entwurf in Ziffer 3 Folgendes:
"3. [...] Die Abfindungsleistung wird, soweit nichts Abweichendes vereinbart wurde, mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig.
[...]"
Anschließend wurden die letzten Details des Vertrages zwischen Frau K und dem Kläger abgestimmt. In diesem Zusammenhang schrieb der Kläger im Oktober oder November 2021 eine E-Mail an Frau K, in der er ihr mitteilte, dass er den Vertrag nur unterschreiben werde, wenn die Auszahlung der Abfindung im Januar 2023 erfolgen würde.
In der Folge übergab Frau K dem Kläger am 29.11.2021 einen bereits durch die Vertreter der Beklagten unterzeichneten Aufhebungsvertrag (Bl. 6 ff. der erstinstanzlichen Akte), welcher in Ziffer 3 im Hinblick auf die Fälligkeit der Abfindung folgende vom Entwurf abweichende Regelung enthielt:
"3. [...] Die Abfindungsleistung wird zum 31.01.2023 fällig.
[...]"
Im Übrigen entsprach der Aufhebungsvertrag im Wesentlichen dem zuvor übersandten Entwurf. Der Kläger unterzeichnete den Aufhebungsvertrag, der das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2022 beendete, am 01.12.2022.
Die Beklagte zahlte die Abfindung bereits im Dezember 2022 an den Kläger aus.
Die Steuerberaterin des Klägers teilte diesem mit E-Mail vom 15.03.2023 (Bl. 9 der erstinstanzlichen Akte) mit, dass eine von ihr vorgenommene Vorausberechnung ergeben habe, dass sich hieraus für den Kläger erhebliche steuerliche Nachteile im Vergleich zu einer Abfindungszahlung im Jahr 2023 ergäben. Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.03.2023 (Bl. 18 f. der erstinstanzlichen Akte) machte der Kläger gegenüber der Beklagten Schadensersatz aufgrund der Auszahl...