Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatz eines Steuerschadens wegen vorzeitiger Zahlung einer in einer gerichtlichen Abwicklungsvereinbarung vereinbarten Abfindung
Leitsatz (redaktionell)
Nach der Auslegungsregel des § 271 Abs. 2 BGB ist bei Vereinbarung eines Fälligkeitstermins im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen kann, der Schuldner sie aber vorher bewirken kann. Das gilt grundsätzlich auch - wie hier - für die in einem Vergleich vereinbarte Fälligkeit einer Abfindung.
Normenkette
EStG § 42d Abs. 1, § 34; BGB §§ 280, 271
Verfahrensgang
ArbG Bamberg (Entscheidung vom 19.09.2023; Aktenzeichen 5 Ca 126/23) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichtes Bamberg vom 19.09.2023 - 5 Ca 126/23 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Ersatz eines Steuerschadens wegen vorzeitiger Zahlung einer in einer gerichtlichen Abwicklungsvereinbarung vereinbarten Abfindung.
Der 1970 geborene Kläger war bei der Beklagten seit 01.09.1986 am Standort H. beschäftigt in Vollzeit und zuletzt als Schichtmeister mit einem regelmäßigen monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 4.163,49 €. Der Kläger erkrankte ab dem 08.05.2019 dauerhaft. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 23.03.2021 (Bl. 100 f der Akte) an die Beklagte bot der Kläger eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses u.a. unter Wahrung der Kündigungsfrist, Zahlung einer Abfindung von 170.000,00 € brutto und einer Sprinterklausel mit 4.800,00 € brutto pro Monat der Verkürzung des Arbeitsverhältnisses an. Eine Einigung wurde nicht erzielt. Im November 2021 lief der Krankengeldbezug aus. Danach wurde die Frage der Arbeitsfähigkeit des Klägers zwischen den Parteien streitig. Im Rahmen dieses Streites zwischen den Parteien um die Arbeitsfähigkeit des Klägers nach Auslaufen des Krankengeldbezuges erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 07.03.2022 Klage auf Zahlung seines Gehaltes für März 2022, beim Arbeitsgericht anhängig unter dem Aktenzeichen 2 Ca 164/22. Die Beklagte unterbreitete unter dem Datum 03.06.2022 ein Vergleichsangebot mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Kündigung vom 30.05.2022 zum 31.12.2022, einer Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung ab 01.02.2022 in Höhe von 4.164,69 € brutto bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 120.000,00 € brutto, zur Auszahlung fällig bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Mit Beschluss vom 14.07.2022 stellte das Arbeitsgericht Bamberg in dem anhängigen Verfahren die vergleichsweise Erledigung fest:
1. Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung vom 30.05.2022 mit Ablauf des 31.12.2022 enden wird.
2. Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis ab 01.02.2022 auf Basis eines Bruttomonatsgehaltes in Höhe von EUR 4.163,49 ordnungsgemäß abzurechnen und den entsprechenden Nettobetrag - vorbehaltlich auf Dritte übergegangenen Ansprüchen - an den Kläger auszuzahlen. Hierbei sind sich die Parteien einig, dass der Kläger Ansprüche auf die Arbeits- und Erfolgsprämie (AEP), auf die C.-Zulage sowie auf das tarifliche Urlaubsentgelt und auf den Teil eines 13. Monatseinkommens hat. Weitergehende Ansprüche auf Einmalzahlungen bestehen nicht.
3. Der Kläger wurde und wird ab 01.02.2022 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der unter Ziffer 2. genannten Bruttomonatsvergütung freigestellt. Die Parteien sind sich einig, dass sämtlicher Urlaub und etwaiges Arbeitszeitguthaben vollständig in Natur eingebracht und sämtliche damit zusammenhängende Vergütung erfüllt wurde.
4. Für den Verlust des Arbeitsplatzes bezahlt die Beklagte an den Kläger gem. §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von EUR 140.000,00 brutto. Der Abfindungsanspruch ist bereits jetzt entstanden und vererblich. Die Abfindung wird bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Auszahlung fällig.
...
Im September 2022 übersandte die Beklagte dem Kläger das vorausgefüllte Formular "Abfindungszahlungen (Lohnsteuer)" (Bl. 40 der Akte). Den dort voreingedruckten Auszahlungstermin "Dezember 2022" änderte der Kläger handschriftlich ab in "Januar 2023", füllte das Formular im Übrigen aus und reichte es unterschrieben an die Beklagte zurück.
Anschließend entspann sich E-Mailverkehr (Bl. 36 ff der Akte) zwischen den Prozessbevollmächtigten um die Frage des Auszahlungstermins. Mit E-Mail vom 25.11.2022 (Bl. 39 der Akte) wurde der Kläger aufgefordert, das Formular ohne Änderung des Auszahlungstermins einzureichen, andernfalls die Beklagte die Abfindung mit der Steuerklasse VI abrechnen würde. Daraufhin reichte der Kläger Ende November/Anfang Dezember 2022 das vorausgefüllte Formular "Abfindungszahlungen (Lohnsteuer)" (Bl. 26 der Akte) noch einmal ordnungsgemäß ausgefüllt und unterzeichn...