Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialauswahl. grobe Fehlerhaftigkeit. Massenentlassungsanzeige
Leitsatz (amtlich)
1. Der Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit bei der Sozialauswahl ein Rahmen des § 125 Abs. 1 S. 1 InsO ist auch auf die Frage der Vergleichbarkeit, d. h. die Bildung der auswahlrelevanten Arbeitnehmergruppen zu erstrecken.
2. Dem Arbeitgeber, der in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gekündigt und erst nachher die Massenentlassung gegenüber der Arbeitsagentur angezeigt hat, ist für den Zeitraum vor Erlass des abweichenden Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 27.01.2005 (Rs. C 188/03), Vertrauensschutz zu gewähren, so dass die Kündigungen nicht wegen Verstoß gemäß §§ 17 ff. KSchG unwirksam ist.
Normenkette
InsO § 125; KSchG § 17 ff.
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 06.05.2004; Aktenzeichen 1 Ca 10429/03) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 1 Ca 10429/03 – vom 06.05.2004 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die der beklagte Insolvenzverwalter aufgrund eines mit dem Betriebsrat geschlossenen Interessenausgleichs mit Namensliste erklärt hat.
Der am 21.11.1944 geborene, verheiratete Kläger war bei der Firma F seit dem 19.08.1985, die regelmäßig mehr als fünf Mitarbeiter beschäftigte, zu einem monatlichen Bruttoeinkommen von zuletzt ca. 2.500,00 EUR tätig. Der Kläger wurde zunächst als Schweißer eingesetzt und war aus gesundheitlichen Gründen seit dem 01.11.2001 im Pförtnerdienst beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW Anwendung.
Nachdem die Firma F mit Eigenantrag vom 21.05.2003 wegen Zahlungsunfähigkeit Insolvenz angemeldet hatte, kam das in Auftrag gegebene Rentabilitäts- und Liquiditätsplanungsgutachten der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Dr. N vom 31.07.2003 (Bl. 38 ff.) zu dem Ergebnis, eine Fortführung des Betriebs sei nur mit Sanierungsmaßnahmen möglich, die insbesondere eine Reduzierung der laufenden Personalkosten beinhalteten.
Am 01.08.2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma F eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser schloss mit dem Betriebsrat der Firma F am 21.08.2003 einen Interessenausgleich, in dem der Abbau von insgesamt 73 Arbeitsplätzen vorgesehen war, mit entsprechender Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter (Bl. 32 ff.). Im als Anlage 2 dem Interessenausgleich vom 21.08.2003 beigefügten Sanierungskonzept ist unter Ziffer 3 die Übernahme der Pförtnerfunktion durch den Versand bzw. das Versandlager und damit die Auflösung des bisherigen Pförtnerdienstes vorgesehen. Wie 70 andere Arbeitnehmer wurde der Kläger ab dem 09.08.2003 von der Arbeitsleistung freigestellt. Mit Schreiben vom 21.08.2003 (Bl. 61 ff.) hörte der Beklagte den Betriebsrat der Firma F zur beabsichtigten Kündigung gegenüber dem Kläger an. Der Betriebsrat teilte dem Beklagten durch Vermerk vom 21.08.2003 mit, dass zur beabsichtigten Kündigung keine Stellungnahme abgegeben werde.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger durch Schreiben vom 26.08.2003 (Bl. 6) unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 30.11.2003. Der Kündigung war ein Begleitschreiben des Beklagten vom 25.08.2003 (Bl. 7) beigefügt, in dem die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses des Klägers auch nach einer möglichen Übernahme des Unternehmens durch einen Investor als nicht möglich beschrieben wurde, da auch dieser das Unternehmen nur mit einem reduzierten Mitarbeiterbestand fortführen könne.
Mit Schreiben vom 27.08.2003 erstattete der Beklagte eine Massenentlassungsanzeige beim Arbeitsamt B. Dieses setzte mit Bescheid vom 10.11.2003 (Bl. 67) die Freifrist zur Durchführung der geplanten Entlassungen für den Zeitraum vom 29.09. bis 27.12.2003 fest.
Die Veräußerung des Betriebes der Firma F an einen Betriebserwerber erfolgte zum 01.12.2003.
Der Kläger wandte sich mit seiner am 05.09.2003 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage gegen die Wirksamkeit der Kündigung vom 26.08.2003. Er hat die Ansicht vertreten, die Kündigung vom 26.08.2003 sei mangels hinreichender Kündigungsgründe sozial ungerechtfertigt. Insbesondere die vom Beklagten vorgenommene Sozialauswahl sei grob fehlerhaft. Der Kläger sei vergleichbar mit dem im Versandbereich eingesetzten, hinsichtlich seiner Sozialdaten weniger schützenswerten Mitarbeiter C. Auch mit den Produktionsmitarbeitern B und F, die ebenfalls geringeren sozialen Schutz als der Kläger geltend machen könnten, sei der Kläger vergleichbar. Er habe verschiedene Lehrgänge im Bereich der Schweißtechnik absolviert und sei auch ab dem 01.11.2001 nicht ausschließlich im Pförtnerdienst, sondern, sofern d...