Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Namensliste. Erwerberkonzept. Betriebsveräußerer. Insolvenzverwalter

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung des Veräußerers nach einem Erwerberkonzept kommt es – jedenfalls in der Insolvenz – nicht darauf an, ob das Sanierungskonzept auch bei dem Veräußerer hätte durchgeführt werden können (Anschluss an BAG v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/02 – BAGR 2003, 296).

 

Normenkette

InsO § 125 Abs. 1 S. 1; KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 29.04.2003; Aktenzeichen 17 Ca 12891/02)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Beklagten wird das am 29.04.2003 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 17 Ca 12891/02 – abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Rechtswirksamkeit einer Kündigung des Beklagten zu 1) als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma W GmbH & Co. KG, der die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer, die einen Wechsel in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft gemäß dem Sozialplan vom 18.11.2002 abgelehnt hatten, mit Schreiben vom 22.11.2002 zum 28.02.2003 kündigte. Von der erneuten Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 29.04.2003 stattgegeben und die Beklagte zu 2) als Betriebsübernehmerin zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Wegen seiner Entscheidungsgründe wird auf Blatt 96 ff. d. A. Bezug genommen.

  1. Die Berufungen der Beklagten sind zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden sind.
  2. Die Rechtsmittel haben auch in der Sache Erfolg.

Die Klage ist unbegründet. Das zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) bestehende Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung vom 22.11.2002 aufgelöst worden. Die Beklagte zu 2) ist nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet, weil zwischen ihnen kein Arbeitsverhältnis besteht. Im Einzelnen gilt Folgendes:

a) Die Kündigung des Beklagten zu 1) ist nicht gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam.

Diese Rechtsfolge ergibt sich allerdings entgegen der Auffassung der Berufungen nicht ohne weiteres aus den §§ 4, 7 KSchG, weil der Kläger diesen besonderen Unwirksamkeitsgrund außerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG geltend gemacht hat. Zwar erweitert § 113 Abs. 2 Satz 1 InsO aF den Anwendungsbereich der Klagefrist auf alle Unwirksamkeitsgründe einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter, um eine zügige Klärung von Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Kündigungen im Insolvenzverfahren zu gewährleisten. Mit Rücksicht auf diesen Sinn und Zweck der Vorschrift greift aber die Fiktion des § 7 1. Halbsatz KSchG nur dann ein, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG überhaupt keine Klage erhebt (vgl. BAG vom 16.05.2002 – 8 AZR 320/01 – BAGR 2003, 112). Im Übrigen ist § 6 Satz 1 KSchG analog anzuwenden, so dass der Arbeitnehmer, der zunächst fristgerecht die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend macht, seine Klage auch später noch auf weitere Unwirksamkeitsgründe wie einen Verstoß gegen § 613 a Abs. 4 BGB stützen kann (vgl. Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Auflage, Rdnr. 2164 m. w. N. zum Streitstand).

Zutreffend ist das Arbeitsgericht ferner davon ausgegangen, dass § 613 a Abs. 4 BGB auch im Insolvenzverfahren gilt. Diese früher streitige Frage ist durch die gesetzliche Regelung in § 128 Abs. 2 InsO beantwortet, wonach die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sich auch darauf erstreckt, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse nicht wegen des Betriebsübergangs, der mit der Betriebsänderung nach dem Interessenausgleich verbunden ist, erfolgte.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts verstößt die Kündigung des Insolvenzverwalters im Streitfall nicht gegen § 613 a Abs. 4 BGB. Danach ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils unwirksam. Eine Kündigung erfolgt „wegen des Betriebsübergangs”, wenn dieser der tragende Grund, nicht nur der äußere Anlass für die Kündigung ist. § 613 a Abs. 4 BGB ergänzt damit die Regelung des § 613 a Abs. 1 BGB. Die Vorschrift soll als spezialgesetzliche Regelung des allgemeinen Umgehungsverbots verhindern, dass der in § 613 a Abs. 1 BGB angeordnete Bestandsschutz durch eine Kündigung unterlaufen wird. Das Kündigungsverbot greift dann nicht ein, wenn es neben dem Betriebsübergang einen sachlichen Grund gibt, der „aus sich heraus” die Kündigung zu rechtfertigen vermag (vgl. BAG vom 20.03.2003 – 8 AZR 97/02 – BAGR 2003, 296 m. w. N.).

Tragender Grund für die Kündigung des Klägers war nicht der zum 01.12.2002 erfolgte Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2), sondern die Sanierung des Betriebs nach einem Sanierungskonzept des ...

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