Entscheidungsstichwort (Thema)

Wichtiger Grund. Arbeitsverweigerung. Urlaub. Voraussetzungen für den wirksamen Widerruf eines bereits bewilligten Urlaubs

 

Leitsatz (amtlich)

Der Arbeitgeber kann den einmal bewilligten Urlaub allenfalls in Notfällen widerrufen. Ein personeller Engpass reicht hierfür nicht aus.

 

Normenkette

BGB § 626; BUrlG § 7

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 21.11.2011; Aktenzeichen 8 Ca 3645/10)

 

Tenor

  • 1.

    Die Berufung der Beklagten gegen das am 21.11.2011 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen - 8 Ca 3645/10 d wird zurückgewiesen.

  • 2.

    Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

  • 3.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung vom 21.09.2010 wegen "Arbeitsverweigerung" und davon abhängiger Vergütungsansprüche. Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 24.05.2007 als Verkäuferin in deren Bekleidungsgeschäft "C im Stadtcenter D gegen eine Vergütung von 2.100,00 € brutto monatlich beschäftigt. Neben der Klägerin als Vollzeitkraft waren lediglich drei Aushilfen tätig. Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 21.11.2011 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung vom 21.09.2010 nicht aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31.10.2010 fortbestanden hat. Ferner hat es die Beklagte verurteilt, die restliche Vergütung für September und Oktober 2010 in Höhe von insgesamt 2.800,00 € brutto zu zahlen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie meint, selbst wenn der Klägerin am 15.07.2010 der Urlaub für die Zeit vom 13. bis zum 25.09.2010 uneingeschränkt bewilligt worden sei, so sei er jedenfalls für das verkaufsoffene Wochenende im Stadtcenter D am 18./19.09.2010 aus dringenden betrieblichen Gründen widerrufen worden. Gleichwohl habe die Klägerin sich beharrlich geweigert, zur Arbeit zu kommen. Selbst wenn aber die fristlose Kündigung unberechtigt wäre, so sei der Entgeltanspruch für Oktober 2010 verfallen, weil er erstmals mit Schriftsatz vom 14.09.2011 geltend gemacht worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 21.11.2011

- 8 Ca 3645/10 d - unter Aufrechterhaltung des Urteils-

tenors zu 2 b (Urlaubsabgeltung in Höhe von 859,05 €

brutto) im Übrigen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, eine Unterbrechung des einmal bewilligten Urlaubs sei unzulässig gewesen, so dass von einer eigenmächtigen Selbstbeurlaubung keine Rede sein könne. Auch ein Verfall von Vergütungsansprüchen sei nicht eingetreten, weil die arbeitsvertragliche Verfallklausel wegen zu kurzer Frist unwirksam sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die fristlose Kündigung der Beklagten vom 21.09.2010 mangels wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis als hilfsweise anzunehmende fristgerechte Kündigung erst zum 31.10.2010 beenden konnte. Die bis zum Beendigungszeitpunkt aus dem Aspekt des Annahmeverzugs begründeten Vergütungsansprüche der Klägerin sind auch nicht verfallen. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1.

Die Beklagte hat den für ihre fristlose Kündigung angeführten wichtigen Grund einer Arbeitsverweigerung der Klägerin am 18./19.09.2010 nicht beweisen können. Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu beanstanden. Es ist zu Recht im Hinblick auf die in der entscheidungserheblichen Frage einer uneingeschränkten Bewilligung des Urlaubs gegenteiligen Aussagen der Zeugen H und W von einem "non liquet" ausgegangen. Daran vermag auch die Aussage der Zeugin K nichts zu ändern, der sich zu dem fraglichen Zeitpunkt einer Einschränkung des Urlaubs nichts entnehmen lässt. Ihre Bekundung, der Urlaub der Klägerin sei damals genehmigt gewesen, allerdings unter der Prämisse, dass sie am Wochenende arbeiten kommen müsse, ist mit beiden Tatbestandsvarianten - ursprünglich uneingeschränkte oder eingeschränkte Urlaubsbewilligung - vereinbar und insoweit unergiebig.

Die Nichterweislichkeit einer nur eingeschränkten Urlaubsbewilligung mit der Rechtsfolge einer Arbeitspflicht der Klägerin an dem Wochenende des Stadtfestes geht zu Lasten der Beklagten. Denn der Kündigende ist darlegungs- und beweisbelastet für alle Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Der Kündigende muss also die Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigun...

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