Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung der Höhe der Abfindung aus Anlass des Übergangs in Altersteilzeit
Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung einer Betriebsvereinbarung und des dort verwendeten Begriffs "vollendete Beschäftigungsjahre".
Leitsatz (redaktionell)
Wird in einer Betriebsvereinbarung als Anreiz für einen frühzeitigen Übergang in Altersteilzeit eine Abfindung von 1.000 EUR je "vollendetem Beschäftigungsjahr" angeboten, so umfasst dies die vollen Beschäftigungsjahre bis zum Eingang des Antrags auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages bei der Arbeitgeberin.
Normenkette
BGB § 611a Abs. 2; BetrVG § 111
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 14.11.2019; Aktenzeichen 14 Ca 7957/18) |
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.11.2019 - 14 Ca 7957/18 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der Abfindung, die nach dem zwischen ihnen bestehenden Altersteilzeit-Vertrag zu zahlen ist.
Die Klägerin ist 1956 geboren. Sie ist seit dem Jahre 1978 bei der Beklagten in deren Station in Dü beschäftigt. Aufgrund eines am 16.04.2014 zwischen den Parteien geschlossenen Altersteilzeit-Vertrages soll das Arbeitsverhältnis am 31.01.2019 enden. Für den Verlust des Arbeitsplatzes hat sich die Beklagte dort verpflichtet, eine Abfindung in Höhe von 55.148,00 EUR zu zahlen. Unabhängig vom Fälligkeitszeitpunkt entsteht der Abfindungsanspruch mit Beginn der Arbeitsphase der Altersteilzeit und ist ab diesem Zeitpunkt vererblich.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der im vorstehend zitierten Altersteilzeitvertrag vereinbarte Abfindungsbetrag hoch genug ist und ob sich nicht aus einer zwischen den Betriebsparteien abgeschlossenen Vereinbarung ein weiterer Anspruch ergibt.
Mit Blick auf eine geplante umfangreiche konzernweite Umstrukturierung wurde nämlich zwischen dem Dü Betriebsrat und der Beklagten am 17.12.2013 vor Durchführung eines Mitbestimmungsverfahrens nach §§ 111 ff BetrVG eine sogenannte "Duldungsvereinbarung" geschlossen. Dort heißt es auszugsweise wörtlich:
I.
Präambel
Im Rahmen des Konzernprogramms SCORE beabsichtigt die D Umstrukturierungsmaßnahmen [...]. In diesem Zusammenhang wird es nach Ansicht der D voraussichtlich zu einer Betriebsänderung gemäß §§ 111 ff BetrVG kommen.
[...]
Die Betriebspartner sind sich einig, dass im Vorfeld einer möglichen Betriebsänderung die in dieser Vereinbarung beschriebenen Ansprüche und Maßnahmen genutzt werden können.
[...]
III.
Anwendung der HR Personalmaßnahmen
Den Stationsmitarbeitern werden verschiedene Angebote unterbreitet, die die Fluktuation bis zu einer möglichen Betriebsänderung fördern sollen.
[...]
Vor dem Hintergrund der geschäftsleitungsseitig beabsichtigten Einstellung der Eigenproduktion auf der Station Dü haben Stationsmitarbeiter einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages gemäß Ziffer III 1.1 dieser Duldungsvereinbarung.
[...]
1. Angebot für rentennahe Jahrgänge - Altersteilzeit und früher Eintritt in den Ruhestand
1.1 Altersteilzeit
Im Geltungsbereich und für die Dauer des Tarifvertrages Altersteilzeit vom 07.07.2010 in der Fassung vom 12.11.2012 (ÄTV) kann der Abschluss eines ATZ-Vertrages mit mindestens zwei Jahren Laufzeit auf frühestmöglichen Rentenzugang durch das befristete Angebot einer damit einhergehenden Abfindung beansprucht werden. Die Abfindung berechnet sich wie folgt: 5.500,00 EUR + drei Bruttomonatsvergütungen. Für eine rasche Entscheidung bis spätestens 30.06.2014 für ATZ werden zusätzlich 1.000,00 EUR pro vollendetem Beschäftigungsjahr gezahlt.
1.2 Früherer Eintritt in den Ruhestand
Stationsmitarbeiter mit Zugang zur gesetzlichen Altersversorgung werden befristet bis zum 30.06.2014 dazu incentiviert, einen vorzeitigen Renteneintritt zu vereinbaren. Dazu wird für jedes volle Jahr vorzeitiger Verrentung - gegenüber der gesetzlichen Regelaltersgrenze - eine Einmalzahlung in Höhe von vier Bruttomonatsvergütungen geleistet.
[...]
3. Berechnungsgrundlage der Bruttomonatsvergütung
Soweit es nach dieser Vereinbarung auf die Höhe der Bruttovergütung ankommt, wird die aktuelle Bruttomonatsvergütung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu Grunde gelegt.
[...].
Zwischen den Parteien ist nun streitig, ob mit den Worten "pro vollendetem Beschäftigungsjahr" unter III 1.1 der Duldungsvereinbarung der Zeitraum vom Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses, also bis zum Ende der Freistellungsphase gemeint ist, oder ob ein kürzerer Zeitraum der Berechnung zu Grunde gelegt werden muss, nämlich, wie die Beklagte meint, ein Zeitraum, der maximal bis zum Beginn der Arbeitsphase reicht. Für den Fall, dass die klägerische Auffassung zutreffend ist, dass also sämtliche Beschäftigungsjahre bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses und damit bis zum vereinbarten Ende der Freistellungsphase der Berechnung zu Grunde gelegt werden müssen, ist der mit der Klage geforderte Mehrbet...