Entscheidungsstichwort (Thema)
Interessenausgleich. Namensliste. Teilzeit
Leitsatz (amtlich)
Ein Interessenausgleich, der ohne sachliche Rechtfertigung die Entfernung von Teilzeitbeschäftigten aus dem Unternehmen zum Gegenstand hat, verstößt gegen § 4 TzBfG und ist daher nichtig. Eine verbundene Namensliste entfaltet keine Vermutungswirkung i. S. d. § 1 Abs. 5 KSchG.
Normenkette
KSchG § 1; TzBfG § 4
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Urteil vom 18.08.2005; Aktenzeichen 1 Ca 1267/05) |
Tenor
1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 18.08.2005 – 1 Ca 1267/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung.
Die Klägerin ist 1955 geboren und alleinstehend. Sie ist Diplom-Mathematikerin und seit dem 01.11.1982 bei der Beklagten als Technical Expert beschäftigt in der Abteilung „F E & A”, die zum Bereich „D D” gehört. Die Abteilung besteht aus 6 Arbeitnehmern. Zuletzt erhielt die Klägerin ein monatliches Entgelt in Höhe von 4.612,00 EUR.
Auf Wunsch der Klägerin und veranlasst durch gesundheitliche Probleme infolge eines Verkehrsunfalls war für sie die wöchentliche Arbeitszeit mit Wirkung vom 01.08.2004 von 39 Stunden auf 30 Stunden reduziert worden. In Ziffer 1.3 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages zur Stundenreduzierung heißt es: „Eine Veränderung der Arbeitszeit (z.B. Rückkehr zur Vollarbeitszeit) ist im Einvernehmen mit G möglich.” Bei der Beklagten herrscht ein Gleitzeitmodell von 6:00 Uhr bis 20:00 Uhr. Eine Kernzeit gibt es nicht. Der Gleitzeitkorridor beträgt somit täglich 14 Stunden. Die regelmäßige Arbeitszeit bei der Beklagten für tarifliche Angestellte beträgt 35 Stunden pro Woche.
Mit Schreiben vom 23.03.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.01.2006. Zuvor war zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat ein Interessenausgleich/Sozialplan abgeschlossen worden. In der in Bezug genommenen Namensliste (Bl. 43) findet sich der Name der Klägerin. Ziffer 1 des Interessenausgleichs lautet auszugsweise:
„1. Gegenstand
Im Bereich der G wird es künftig keine Sekretariats- und Assistenzfunktionen in Teilzeitform mehr geben. Des weiteren wird es im Aufgabenbereich D D keine Sachbearbeiter-/Spezialistenfunktionen in Teilzeitform mehr geben.”
Im Aufgabenbereich D D ist die Klägerin unter den Spezialisten die einzige Teilzeitkraft. Alle 6 Arbeitnehmer in der Abteilung „F E & A” sind hinsichtlich ihrer Tätigkeit miteinander vergleichbar. Nach der zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten im Rahmen des Interessenausgleichs vereinbarten Auswahlrichtlinie hat die Klägerin unter den 6 Arbeitnehmern die höchste Punktzahl, es ist also keiner sozial schutzwürdiger als sie. Ziffer 1.6 des Interessenausgleichs lautet:
„Die Abteilung „F E & A” wird von sechs Mitarbeitern auf fünf um einen Mitarbeiter reduziert. Die Berechnungsanalyse von Faltenbalgspannungen wurde automatisiert und an die Gesellschaften weitergegeben. Zukünftig wird diese Arbeit in den Gesellschaften weitergeführt. Dadurch entfällt ein Arbeitsplatz, nämlich die Funktion Technical Expert F-A Teilzeit).”
Aufgrund der Regelungen des Sozialplans steht der Klägerin für den Fall der Wirksamkeit der Kündigung eine Abfindung zu in Höhe von 143.786,00 EUR.
Mit der seit dem 13.04.2005 anhängigen Klage hat sich die Klägerin gegen die ihr gegenüber ausgesprochene Kündigung gewandt. Sie hat vorgetragen, die unternehmerische Entscheidung, die in Ziffer 1 des Interessenausgleichs zum Ausdruck gekommen sei, nämlich Sachbearbeiter- und Spezialistenfunktionen nur noch von Vollzeitkräften ausführen zu lassen, sei nicht akzeptabel. Sie sei willkürlich und offenbar sachwidrig. Nach ihrer Auffassung stelle die Regelung einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot von Teilzeitkräften dar. Im Übrigen seien alle Teilzeitkräfte bei der Beklagten Frauen. Mithin drohe auch eine mittelbare Diskriminierung derselben. Die Begründung, die die Beklagte für ihre Entscheidung Teilzeitarbeit abzuschaffen vortrage, nämlich personenbezogene Kontinuität zu gewährleisten und Störungen des Betriebsablaufs zu vermeiden, sei vorgeschoben. Sie habe eine tägliche Arbeitszeit von 6 Stunden. Gegenüber der tariflichen Arbeitszeit von 7 Stunden sei ein Unterschied in der personenbezogenen Kontinuität nicht ersichtlich.
Soweit die Beklagte die Entscheidung, keine Teilzeit mehr zuzulassen, darauf stütze, es müsse bis 8:00 eine Stunde J erreichbar sein und ab 14:00 Uhr eine Stunde die U, so sei dieses Erfordernis von ihren Arbeitszeiten abgedeckt, denn nach den betrieblichen Regelungen gebe es eine ¾ Stunde Zwangsmittagspause. Außerdem werde nur mit den U telefoniert und nicht mit J. Dorthin werde mit e-mail kommuniziert.
Die konkrete auf ihren Arbeitsplatz bezogene Begründung für den Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses im Interessenausgleich treffe im Kern nicht zu. Es sei zwar richtig, dass für die Berechnungsanalyse ein Programm entwickelt worden sei. Die Analyse se...