Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtswirksamkeit einer fristlosen Kündigung eines Geschäftsführers in einem Geschäftsführeranstellungsverhältnis
Leitsatz (redaktionell)
1. Außerhalb eines "sic-non-Falles" reicht die bloße Behauptung der klagenden Partei, es handle sich um ein Arbeitsverhältnis, zur Begründung des Rechtswegs zu den Gerichten der Arbeitssachen nicht aus. 2. Durch eine Abberufung von der Position des Geschäftsführers wird das dahinterliegende Vertragsverhältnis nicht automatisch zum Arbeitsverhältnis, wenn der Geschäftsführeranstellungsvertrag kein arbeitgeberseitiges Weisungsrecht enthält.
Normenkette
KSchG § 14 Abs. 2; BGB § 626; ArbGG § 2
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 28.02.2024; Aktenzeichen 11 Ca 401/23) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund - Kammern Neubrandenburg - vom 28.02.2024 - Az. 11 Ca 401/23 - unter Zurückweisung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
- Hinsichtlich des Klageantrages zu Ziff. 1 aus dem Schriftsatz vom 06.03.2024 ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet.
- Das Verfahren wird bzgl. der Klageanträge zu den Ziff. 2 bis 5 aus dem Schriftsatz vom 06.03.2024 abgetrennt. Diesbezüglich ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet. Der Rechtsstreit wird hinsichtlich des abgetrennten Teils an das Landgericht Neubrandenburg verwiesen.
2. Die Parteien tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.
3. Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.
Gründe
I
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristlosen und hilfsweise erklärten fristgemäßen Kündigung eines Vertragsverhältnisses (Klageantrag zu Ziff. 1 aus dem Schriftsatz vom 06.03.2024) sowie um Entgeltansprüche für die Zeit von Dezember 2023 bis Februar 2024 (Klageanträge zu den Ziff. 2 - 4 aus dem Schriftsatz vom 06.03.2024) und um einen Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2023 (Klageantrag zu Ziff. 5 aus dem Schriftsatz vom 06.03.2024).
Der Kläger war auf der Grundlage des sog. "Geschäftsführeranstellungsvertrages" vom 29.10.2018 bei der Beklagten als Geschäftsführer unter Befreiung von den Beschränkungen nach § 181 BGB (§ 2 Abs. 3 des Vertrages) zu einem Bruttomonatsentgelt von 4.500 € beschäftigt.
§ 3 des Geschäftsführeranstellungsvertrages lautet wie folgt:
(1) Der Geschäftsführer stellt nach den geschäftlichen Erfordernissen die Arbeitskraft, fachliche Kenntnisse und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung. Er ist nicht an die Einhaltung bestimmten Zeiten zur Erbringung seiner Tätigkeit gebunden.
(2) Die Tätigkeiten des Geschäftsführers umfassen die gesamte Leitung des Betriebes, Führung der laufenden Geschäfte der Gesellschaft, Vertragsschließung, organisatorisches Management gem. der ihm erteilten Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis.
(3) Der Geschäftsführer hat die Geschäfte der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen und die ihm nach Gesetz, Satzung, Geschäftsordnung der Geschäftsführung, sowie diesem Vertrag obliegenden Pflichten gewissenhaft zu erfüllen. Er hat den Weisungen der Gesellschafterversammlung Folge zu leisten."
Der Kläger wurde am 29.10.2018 im Handelsregister als Geschäftsführer eingetragen ("mit der Befugnis die Gesellschaft allein zu vertreten; mit der Befugnis Rechtsgeschäfte mit sich selbst oder als Vertreter Dritter abzuschließen").
Mit Wirkung vom 13.11.2023 wurde der Kläger als Geschäftsführer abbestellt. Dieser Umstand wurde am 13.11.2023 in das Handelsregister eingetragen. Mit Schreiben vom 01.12.2023 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis mit dem Kläger fristlos und hilfsweise fristgemäß. Dagegen hat der Kläger am 21.12.2023 eine "Kündigungsschutzklage" eingereicht. Mit der Klageerweiterung vom 18.01.2024 hat der Kläger zudem die Gehaltszahlung für den Dezember 2023 sowie eine Urlaubsabgeltung für das Jahr 2023 geltend gemacht.
In der Güteverhandlung vom 12.02.2024 hat die Beklagte die Rüge der Rechtswegzuständigkeit zu den Gerichten für Arbeitssachen erhoben.
Mit Beschluss vom 28.02.2024 hat das Arbeitsgericht (unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter) den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für eröffnet erklärt.
Die Begründung lautet wie folgt:
"Der als Geschäftsführer abberufene Kläger wehrt sich gegen die außerordentliche und ordentliche Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages und behauptet, es habe sich um ein Arbeitsverhältnis gehandelt. Es handelt sich also um einen sog. sic-non-Fall. Die Prüfung der Rechtsmäßigkeit anhand insb. von § 1 KSchG setzt das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Die Behauptung des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses durch den Kläger reicht aus, um den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu eröffnen."
Eine Auseinandersetzung mit den gestellten Zahlungsansprüchen durch das Arbeitsgericht ist nicht erfolgt.
Mit Schriftsatz vom 06.03.2024 - bei dem Arbeitsgericht eingegangen am gleichen Tag - hat ...