Verfahrensgang

ArbG Rostock (Beschluss vom 07.10.1992; Aktenzeichen 4 Ca 1191/91)

 

Tenor

1. Der Beschluß des Arbeitsgerichts Rostock vom 07.10.1992 – 4 Ca 1191/91 – wird aufgehoben.

2. Der Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger, der länger als 6 Monate in einem Betrieb mit regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmern beschäftigt war, klagt gegen eine ihm am 22.10.1991 zugegangene Kündigung der Beklagten. Seine Klage, in der als Prozeßbevollmächtigte „DGB u. IGM Arbeitsrechtsstelle 2500 Rostock” angeführt sind, trägt das Datum 08.11.1991 und die Unterschrift: „für den Kläger … (unleserlich)”. Der Klage war eine ebenfalls auf den 08.11.1991 datierte und offenbar vom Kläger unterschriebene Vollmacht beigefügt, in der die Namen der Prozeßbevollmächtigten nicht aufgeführt sind. Die Klage ist beim Kreisgericht Rostock am 25.11.1991 eingegangen.

In der Güteverhandlung vom 17.03.1992 wurde der Bevollmächtigte des Klägers vom Gericht auf den verspäteten Eingang der Klage hingewiesen. In der Kammerverhandlung vom 10.09.1992 wies das Gericht daraufhin, daß die für die Klägerseite verwendeten Ladungsformulare eine Angabe über den Zeitpunkt des Eingangs der Klage nicht enthalten.

Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat mit Schriftsatz vom 26.03.1992, bei Gericht am gleichen Tage eingegangen, die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage beantragt und zunächst vorgetragen, eine Rücksprache mit dem Kläger könne innerhalb der durch § 5 Kündigungsschutzgesetz vorgegebenen 2-Wochenfrist nicht erfolgen. Auch eine abschließende Sachaufklärung bei der Industriegewerkschaft Metall sei nicht möglich gewesen. Höchst vorsorglich werde deshalb vorgetragen, daß die Kündigungsschutzklage der Industriegewerkschaft Metall am 08.11.1991 vorgelegen habe und der Kläger alle ihm obliegenden Sorgfaltspflichten erfüllt habe.

Der verspätete Zugang der Kündigungsschutzklage bei Gericht sei somit den Prozeßvertretern des Klägers bei der IG Metall zuzurechnen. Es werde die Auffassung vertreten, daß ein Verschulden eines Gewerkschaftsvertreters einer Einzelgewerkschaft dem Kläger nicht in gleichem Maße zugerechnet werden könne, wie anwaltliches Verschulden.

Im Termin vom 10.09.1992 wurde für den Kläger eine eidesstattliche Versicherung der Verwaltungsansgestellten der IG Metall, Frau … vom 03.09.1992 vorgelegt. Darin heißt es:

„Es ist richtig, daß Herr … am 30.10.1991 die Verwaltungsstelle der IG Metall aufsuchte und dort Rechtsschutz wegen seiner Kündigung beantragte. Rechtsschutz wurde dem Kollegen gewährt. Er füllte auch mit Datum des 30.10.1991 einen Rechtsschutzantrag aus und übergab uns das Kündigungsschreiben der …. Das Handaktendeckblatt wurde unter der Rubrik „Angefangen” mit Datum des 30.10.1991 von mir versehen. Rechtsschutz wurde dem Kollegen … gewährt.”

Die Beklagte hat beantragt,

den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger hätte bei Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt die Klage fristgemäß einreichen können.

Es werde mit Nichtwissen bestritten, daß der Kläger die IG Metall vor dem 13.11.1991 aufgesucht und um Rechtsschutz gebeten habe. Es sei nicht glaubhaft gemacht, daß der verspätete Zugang der Kündigungsschutzklage nicht dem Kläger selbst zuzurechnen sei.

Darüber hinaus müsse der Kläger sich ein Verschulden seiner Prozeßbevollmächtigten zurechnen lassen.

Bei der 3-Wochenfrist gemäß § 4 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz handele es sich um eine prozessuale Klageerhebungsfrist (BAG EZA § 4 KSchG n.F. Nr. 25).

Aus § 85 II ZPO, der über § 46 II ArbGG im arbeitsgerichtlichen Verfahren anwendbar sei, ergebe sich daher, daß das Verschulden des Bevollmächtigten dem der Parteien gleichzustellen sei. Das gelte auch für die Klageerhebung (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch 7. Auflage, § 136 II Ziffer 3).

§ 85 II ZPO sei jedoch auch dann analog anwendbar, wenn man die 3-Wochenfrist als materiell-rechtlich ansehen würde. Das folge aus dem Sinn und Zweck dieser Frist, durch die vermieden werden solle, die Frage der Wirksamkeit der Kündigung über einen längeren Zeitraum in der Schwebe zu lassen (KR/Friedrich, § 4 KSchG Rz 10).

Deshalb hätten auch das LAG Rheinland/Pfalz (EZA § 5 KSchG Nr. 15), das Arbeitsgericht Kiel (BB 1979, 839), das LAG Frankfurt (AuR 1984, 287), das LAG München (BB 1981, 915), das LAG Köln (LAGE § 5 KSchG Nr. 25 und Nr. 28), das LAG Berlin (LAGE KSchG Nr. 27) sowie das LAG Nürnberg (LAGE § 5 KSchG Nr. 30) eine nachträgliche Zulassung der Klage verneint, wenn der Prozeßbevollmächtigte die Klage aufgrund seines Verschuldens verspätet einreiche.

Die Rechtssekretäre der IG Metall treffe ein Verschulden, wenn es sich als richtig erweise, daß der Kläger die IG Metall tatsächlich vor dem 13.11.1991 aufgesucht und mit der Erstellung und Einreichung seiner Kündigungsschutzklage beauftragt habe.

Vorsorglich werde auch geltend gemacht, daß der Antrag auf nachträgliche Zulassung nicht inne...

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