Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen
Leitsatz (redaktionell)
Häufige Kurzerkrankungen können eine personenbedingte Kündigung bedingen, wenn im Kündigungszeitpunkt Tatsachen vorliegen, die die Prognose stützen, es werde auch künftig zu Erkrankungen im bisherigen - erheblichen - Umfang kommen (Negativprognose), die prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, sei es durch Betriebsablaufstörungen oder durch Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen jährlich, und diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber unter Abwägung mit dem Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht mehr hingenommen werden müssen.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 06.04.2023; Aktenzeichen 5 Ca 1543/22) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 06.04.2023 - 5 Ca 1543/22 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen.
Der im Dezember 1973 geborene Kläger nahm am 20.03.2006 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Brot- und Backwarenindustrie, eine Beschäftigung als Maschinenbediener auf. Der Kläger war in der letzten Zeit vorwiegend in dem sogenannten Reinraum eingesetzt, in dem Toastbrot geschnitten und verpackt wird. Die Raumtemperatur liegt dort zwischen 17 und 21 °C. Der Raum ist klimatisiert. Als Maschinenbediener in der Verpackung hatte der Kläger insbesondere die Aufgabe, die Produktionsqualität zu kontrollieren, auf die Einhaltung der Hygiene- und Sicherheitsvorschriften zu achten, Störungen zu beseitigen und das jeweilige Verpackungsmaterial einschließlich der entsprechenden Clips gemäß den Vorgaben einzulegen. Der Kläger arbeitete regulär im 4-Schicht-System.
Ab dem Jahr 2018 war der Kläger in folgenden Zeiträumen arbeitsunfähig erkrankt:
Die Beklagte leistete für sämtliche Ausfallzeiten Entgeltfortzahlung.
Mit den Schreiben vom 24.05.2019 und 20.06.2019 bot die Beklagte dem Kläger ein betriebliches Eingliederungsmanagement an, worauf der Kläger nicht reagierte. Am 25.02.2020 und am 21.12.2021 nahm der Kläger sodann an einem betrieblichen Eingliederungsmanagement teil. Die Beklagte schloss mit dem Betriebsrat am 23.12.2021 eine Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement, in der das Verfahren einschließlich der zu verwendenden Formulare im Einzelnen geregelt ist. Mit Schreiben vom 27.10.2022 lud die Beklagte den Kläger entsprechend der Betriebsvereinbarung erneut zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement ein. Auf dem Antwortformular teilte der Kläger am 02.11.2022 mit, von dem Angebot auf Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements keinen Gebrauch zu machen.
Mit Schreiben vom 07.12.2022 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers an. Das Schreiben enthält die Personalien des Klägers (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Familienstand, Eintrittsdatum, Abteilung und Positionsbezeichnung) sowie Kündigungsfrist und -datum. Die Beklagte teilte dem Betriebsrat die Fehlzeiten des Klägers seit 2018 sowie die dadurch entstandenen Entgeltfortzahlungskosten mit. Die Betriebsratsanhörung enthält eine Gegenüberstellung der durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten des Werks im Verhältnis zu denen des Klägers, die demgegenüber mehr als doppelt so hoch sind. Die Beklagte verwies auf die Notwendigkeit einer Überbrückung der Ausfallzeiten durch eigene Mitarbeiter und Leiharbeitnehmer und stellte die jeweiligen Kosten dar. Des Weiteren informierte die Beklagte über die angebotenen und durchgeführten Gespräche zum betrieblichen Eingliederungsmanagement. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Kündigung mit Schreiben vom 15.12.2022.
Am 16.12.2022 endete die am 30.11.2022 eingetretene Arbeitsunfähigkeit. Die Fehlzeiten im Jahr 2022 beliefen sich letztlich auf insgesamt 50 Arbeitstage.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 16.12.2022 ordentlich und fristgerecht zum 30.06.2023, hilfsweise zum nächstzulässigen Termin. Das Schreiben ging dem Kläger am 17.12.2022 zu. Der Kläger ist verheiratet. Die Lohnsteuerkarte weist keine Unterhaltspflichten gegenüber Kindern aus. Die durchschnittliche monatliche Vergütung betrug zuletzt € 3.657,22 brutto.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass die Kündigung unwirksam sei, da es schon an einer Negativprognose fehle. Der Kläger sei primär aufgrund von Gelenk- und Knochenbeschwerden oder muskulären Beschwerden in Behandlung gewesen. Diese Erkrankungen seien ausgeheilt. Soweit der Kläger aufgrund von Infektionen der oberen Atemwege nicht arbeitsfähig gewesen sei, hänge dies zum Teil mit der Corona-Pandemie und dem anschließenden Wegfall der Maskenpflicht zusammen. Eine Anzahl von ...