Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitsbedingte Kündigung einer Betreuungsassistentin bei häufigen Fehlzeiten aufgrund unterschiedlicher Erkrankungen
Leitsatz (amtlich)
Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhen. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert. Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen - etwa Erkältungen - ausgeheilt sind.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; BetrVG § 102 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 1; BetrVG § 102 Abs. 1 Sätze 1-2
Verfahrensgang
ArbG Rostock (Entscheidung vom 09.03.2017; Aktenzeichen 2 Ca 1361/16) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 09.03.2017 - 2 Ca 1361/16 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung aufgrund krankheitsbedingter Fehlzeiten.
Die 1959 geborene Klägerin nahm am 28.05.2014 bei der Beklagten eine Beschäftigung als Betreuungsassistentin mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 30 Wochenstunden auf. Die Beklagte betreibt unter anderem ein Pflegeheim für schwerbehinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die Alternative W.. Die Alternative W. verfügt über insgesamt 46 Plätze, die auf 5 Wohngruppen verteilt sind. In der Alternativen W. sind rund 70 Mitarbeiter tätig, davon drei Betreuungsassistenten mit jeweils 30 Wochenstunden. Die Betreuungsassistenten haben die Aufgabe, den Anspruch der Pflegebedürftigen auf eine zusätzliche Betreuung und Aktivierung, die über die nach Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit notwendige Versorgung hinausgeht (§ 43b SGB XI), zu erfüllen. Hierzu gehört es, mit den Bewohnern zu malen, zu basteln, zu singen, spazieren zu gehen, ihnen bei der Nahrungsaufnahme zu helfen etc.
Im Jahr 2014 war die Klägerin an folgenden Tagen arbeitsunfähig:
Arbeitsunfähigkeiten 2014 |
Zeitraum |
Kalendertage |
Diagnose nach ICD-Schlüssel |
03.08.-04.08. |
2 |
R11G |
Übelkeit und Erbrechen |
22.09.-26.09. |
5 |
J06.9G |
Akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet |
29.11.-03.12. |
5 |
G43.9G |
Migräne, nicht näher bezeichnet |
10.12.-17.12. |
8 |
J06.9G |
Akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet |
Summe |
20 |
|
Im Jahr 2015 war die Klägerin wie folgt arbeitsunfähig:
Arbeitsunfähigkeiten 2015 |
Zeitraum |
Kalendertage |
Diagnose nach ICD-Schlüssel |
01.01.-16.01. |
16 |
J20.9G |
Akute Bronchitis, nicht näher bezeichnet |
17.02.-18.02. |
2 |
G43.9G |
Migräne, nicht näher bezeichnet |
25.02.-06.03. |
10 |
J06.9G |
Akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet |
13.04.-22.04. |
10 |
A09.0G |
Sonstige und nicht näher bezeichnete Gastroenteritis und Kolitis infektiösen Ursprungs |
01.06.-12.06. |
12 |
F43.2G J02.9 |
Anpassungsstörungen Akute Pharyngitis, nicht näher bezeichnet (Krankheit des Atmungssystems) |
29.06.-02.07. |
4 |
F43.2G |
Anpassungsstörungen |
12.09.-14.09. |
3 |
G43.9G |
Migräne, nicht näher bezeichnet |
21.09.-29.09. |
9 |
J06.9G |
Akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet |
14.10.-16.10. |
3 |
J06.9G |
Akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet |
19.10.-27.10. |
9 |
J20.9G |
Akute Bronchitis, nicht näher bezeichnet |
23.11.-02.12. |
10 |
J20.9G |
Akute Bronchitis, nicht näher bezeichnet |
Summe |
88 |
|
Am 29.04.2015 fand ein Betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 SGB IX statt. Die Klägerin verneinte einen Zusammenhang ihrer Erkrankungen mit der Tätigkeit in der Alternativen W. oder den Arbeitsbedingungen dort.
Am 29.05.2015 zeigten mehrere Mitarbeiter der Alternativen W. in einem gemeinsamen Brief ihre Überlastung an aufgrund von unbesetzten Stellen sowie krankheits- und urlaubsbedingten Personalausfällen.
Am 23.12.2015 führte die Beklagte mit der Klägerin wiederum ein Betriebliches Eingliederungsmanagement durch. Die Klägerin gab erneut an, keine Probleme bei der Arbeit zu haben, und verwies auf die mit dem Tod ihres Vaters verbundenen Belastungen und die daraus resultierende Krankheitsanfälligkeit.
Im Jahr 2016 kam es zu den nachstehenden Arbeitsunfähigkeiten:
Arbeitsunfähigkeiten 2016 |
Zeitraum |
Kalendertage |
Diagnose nach ICD-Schlüssel |
16.01.-22.01. |
7 |
N39.0G |
Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet |
30.01.-12.02. |
13 |
J06.9G |
Akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet |
19.02. |
1 |
|
ohne Attest |
22.02.-28.02. |
7 |
J06.9G |
Akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet |
30.03.-01.04. |
3 |
J06.9G |
Akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet |
19.04.-26.04. |
8 |
J11.1G |
Grippe mit sonstigen Manifestationen an den Atemwegen, Viren nicht nachgewiesen |
21.05.-24.05. |
4 |
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- nicht dargelegt - |
13.07. |
1 |
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ohne Attest |
27.07.-29.07. |
3 |
I10.90G I10.91 G43.9G |
Essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet: ohne Angabe einer hypertensiven Krise Essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet: mit Angabe einer hypertensiven Krise Migräne, nicht näher bezeichnet |
04.08.-07.08. |
4 |
I10.90G E10.91 |
Essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet: Ohne ... |