Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Aktenzeichen 6 Ca 101/93)

 

Tenor

I. Die Berufung des beklagten Landes wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit 1972 in verschiedenen Forstbetrieben der ehemaligen DDR tätig. Im Jahre 1979 wurde er in den Staatlichen Forstbetrieb … zur Oberförsterei … versetzt. Dort war er ab dem Jahre 1988 als Oberförster tätig. Bei der Oberförsterei … handelt es sich um ein sogenanntes Staatsjagdgebiet der ehemaligen DDR. Besondere Aufgabe der Bediensteten war es, Jagdgäste aus der ehemaligen DDR. aber auch aus dem östlichen und westlichen Ausland bei der Jagdausübung zu begleiten. Während der Jagdausübung wurden die Staatsgäste nicht – wie sonst – von Mitarbeitern des Personenschutzes begleitet. Sie waren ausschließlich mit dem Forstpersonal allein zusammen.

Unter dem 12.11.1985 unterzeichnete der Kläger folgende Verpflichtungserklärung:

„Hiermit erkläre ich mich bereit, das Ministerium für Staatssicherheit in seiner Arbeit beim zuverlässigen Schutz der führenden Repräsentanten der Deutschen Demokratischen Republik freiwillig im Rahmen meiner Möglichkeiten zu unterstützen. Über diese Zusammenarbeit werde ich gegenüber jedermann strengstes Schweigen wahren. Für die Zusammenarbeit wähle ich den Decknamen

Terrier.

Zur Gewährleistung der Verbindung zu dem mir bekannten Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit erhalte ich die Telefon-Nr. …

… den 12.11.1985”

Ausweislich des Einzelberichtes zum Schreiben des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (Blatt 48 der Akten) war der Kläger vom 12.11.1985 an als IM tätig. Der letzte Treffbericht sei vom 14.6.1989 datiert. Die Akte sei durch MfS-Mitarbeiter am 8.8.1989 verplombt worden. Unter Art. und Umfang der Berichte heißt es:

  • „4 schriftliche Berichte zu Personen und mündliche Berichte zu Bauarbeiten im Freizeitobjekt …
  • Informationen zu Staatsjagden und besondere Vorkommnisse
  • Informationen über Meinungen zu aktuellen Ereignissen”

Die vier schriftlichen Berichte des Klägers beinhalten Einschätzungen ihm unterstellter Mitarbeiter des Forstwirtschaftsbetriebes … Diese Berichte sind insgesamt positiv. Hinsichtlich ihres Inhalts wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts … vom 17.1.1995 – 6 Ca 101/93 – Bezug genommen. In einem Bericht heißt es unter anderem:

„… Durch unnötiges Mitteilungsbedürfnis der Kolleginnen gelangen aber oftmals Informationen aus dem dienstlichen Bereich an Stellen, wo sie nicht hingehören. Bei Aussprachen wurden die Kolleginnen darauf hingewiesen und es zeigt sich auch in letzter Zeit eine Besserung.

Zusammenfassend muß man nochmals die Einsatzbereitschaft der Kolleginnen loben. Besonders die … hat als Mutter von … Kindern schon großen Belastungen (Wochenendeinsätze) standgehalten. …”

In einer Einschätzung, die von dem Führungsoffizer des Klägers angefertigt wurde, heißt es, daß der Kläger in erster Linie Einschätzungen zu den Personen der … sowie zu Fragen der Gästebetreuung in jagdlicher Hinsicht abgegeben habe. An operative Materialien sei er nicht herangeführt worden (vgl. Blatt 52 der Akten).

Am 11.7.1991 unterzeichnete der Kläger eine Erklärung, wonach er zu keiner Zeit Angehöriger des MfS/AfNS gewesen sei und keine Verpflichtung zur offiziellen oder inoffiziellen Mitarbeit bei einer der genannten Dienststellen eingegangen sei. Die Erklärung versah er mit folgendem maschinenschriftlichen Zusatz auf der Rückseite, auf den er in der Vorderseite hingewiesen hat:

„Durch die Arbeit in einem Staatsjagdgebiet in der ehemaligen DDR ließ sich ein dienstlicher Kontakt mit Angehörigen des MfS (Personenschutz usw.) nicht vermeiden. Auskünfte von mir konnten nicht zum Nachteil anderer Personen führen.”

Ferner unterzeichnete der Kläger am 20.2.1992 eine Erklärung, wonach er nicht für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit tätig gewesen sei (Blatt 55 der Akten). Am gleichen Tage kam es zur Unterzeichnung eines von seiten des Ministeriums bereits am 20.12.1991 unterzeichneten neuen Arbeitsvertrages zwischen den Parteien (Blatt 56, 57 der Akten).

Das beklagte Land kündigte das Arbeitsverhältnis nach Beteiligung des Hauptpersonalrates mit Schreiben vom 28.6.1993 fristlos, hilfsweise fristgemäß, unter Berufung auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Absatz 5 der Anlage I des Einigungsvertrages (im folgenden: Absatz 5 EV) außerordentlich, hilfsweise fristgemäß. Außerdem wurde die Wirksamkeit des Arbeitsvertrages wegen Zustandekommens durch arglistige Täuschung angefochten.

Auf die am 8. Juli 1993 beim Arbeitsgericht Stralsund eingegangene Klage hat dieses durch das obengenannte Urteil festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch fristlose Kündigung noch durch fristgemäße Kündigung noch durch Anfechtung vom 28.6.1993 beendet wurde. Die Kosten des Rechtsstreits hat es dem beklagten Land auferlegt. Der Streitwert ist auf 17.675,13 DM festgesetzt worden.

In den Entscheidungsgründen hat d...

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