Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsausschluss bei fahrlässigem Verlust eines Wohnheimschlüssels durch Autodiebstahl
Leitsatz (amtlich)
Keine Haftung des Arbeitnehmers bei leichter Fahrlässigkeit.
Leitsatz (redaktionell)
1. Grobe Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn die Arbeitnehmerin die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in einem ungewöhnlich hohen Grad verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall allen hätte einleuchten müssen. Allein der Umstand, dass es sich bei dem infolge eines Kraftfahrzeugdiebstahls entwendeten Wohnheimschlüssel um einen "wertvollen Schlüssel" handelt und die Arbeitnehmerin als Wohnheimleiterin davon Kenntnis hat, reicht zur Begründung grober Fahrlässigkeit nicht aus.
2. Mittlere Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn die Arbeitnehmerin die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt und der rechtlich missbilligte Erfolg bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt voraussehbar und vermeidbar ist. Selbst in Kenntnis der Bedeutung des abhandengekommen Schlüssels ist der missbilligte Erfolg, die Wegnahme des Fahrzeugs der Arbeitnehmerin einschließlich des Wohnheimschlüssels, nicht voraussehbar.
Normenkette
BGB §§ 611, 241, 823 Abs. 1, § 611a Abs. 1, § 241 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 19.09.2017; Aktenzeichen 13 Ca 256/16) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund, Kammern Neubrandenburg, vom 19.09.2017 - 13 Ca 256/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz, nachdem dieser ein ihr überlassener Generalschlüssel gestohlen worden war.
Die langjährig bei der Klägerin beschäftigte Beklagte ist seit Februar 2016 als Wohnheimleiterin tätig. Anfang März 2015 nahm die Klägerin den Wohnheimschlüssel und Bauzeichnungen für den Neubau eines Wohnheims nach der Arbeit. Dazu hat die Beklagte im Kammertermin unbestritten vorgetragen, dass sie diese Gegenstände nach einem auswärtigen Termin mitgenommen habe, da sie nicht mehr ins Wohnheim zurückgefahren sei. Den Schlüssel und die Bauzeichnungen beließ die Beklagte in ihrem PKW, einem VW Caddy, den sie abgeschlossen in dem Carport auf ihrem Privatgrundstück abstellte. Das Grundstück der Beklagten war durch ein elektrisches Schiebetor gesichert. Am 03.03.2015 kam es gleichwohl zum Diebstahl des Pkw samt Bauunterlagen und Schlüssel.
Die Klägerin ließ daraufhin ihre Schließanlage, die rund 250 Schließanlagenzylinder und entsprechende Schlüssel umfasste, zu einem Preis von 9.726,64 € auswechseln. Der Versicherer der Klägerin übernahm hierfür die Kosten bis zur Haftungshöhe von 3.000,00 €. Den Differenzbetrag von 6.726,64 € hat die Klägerin gegenüber der Beklagten klageweise geltend gemacht.
Sie hat behauptet, dass der Beklagten bei Übergabe des nunmehr gestohlenen Schlüssels mitgeteilt worden sei, dass es sich um einen Generalschlüssel handele. Außerdem sei die Beklagte darüber belehrt worden, dass sie im Verlustfalle haftbar sei. Dass der Schlüssel in dem Fahrzeug über Nacht verblieben sei, stelle einen Sorgfaltsverstoß dar. Es komme erschwerend hinzu, dass sich mit den Bauunterlagen Bezugsunterlagen im Kfz befunden hätten. Erst dadurch sei es Dritten möglich, den Generalschlüssel der Klägerin zuzuordnen. Die Klägerin habe sofort reagiert und im Büro, in den Verwaltungsräumen und im Sekretariat die Schlösser ausgetauscht. Um im Übrigen Diebstahlsschäden vorzubeugen, habe sie sich veranlasst gesehen, die gesamte Schließanlage wechseln zu lassen.
Die Beklagte hat bestritten, dass es erforderlich gewesen sei, die gesamte Schließanlage auszutauschen und dass es sich bei dem ihr überlassenen Schlüssel um einen Generalschlüssel gehandelt habe. Sie habe nicht damit rechnen müssen, dass ihr Fahrzeug von ihrem Privatgrundstück gestohlen werde. In ihrem Heimatort sei es in den letzten 25 Jahren weder zu Wohnungseinbruchdiebstählen gekommen, noch seien Fahrzeuge von den Wohngrundstücken entwendet worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 10.09.2017 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin keinen Schadensersatzanspruch habe, da der Beklagten allenfalls leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Es sei für sie nicht vorhersehbar gewesen, dass ihr auf ihrem umfriedeten Grundstück geparkten Pkw gestohlen werden würde. Insofern sei sie nicht gehalten gewesen, den Dienstschlüssel und die Bauunterlagen nicht im Fahrzeug zu belassen, sondern mit ins Haus zu nehmen.
Wegen der weiteren Begründung des Arbeitsgerichts und des Parteivortrags erster Instanz wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil (Blatt 113 - 118 d. A.) verwiesen.
Gegen dieses der Klägerin am 25.10.2017 zugestellte Urteil wendet sie sich mit der rechtzeitig beim Landesarbeitsgericht eingelegten und begründeten Berufung.
Die Klägerin hält das arbeitsgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens für fehlerhaft. Das Arbeitsgericht habe nicht da...