Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhergruppierung bei gleichbleibender Tätigkeit mit höherer Bewertung. Keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke in § 17 Abs. 4 TV-L. Höhergruppierung von Lehrkräften nach § 17 Abs. 4 TV-L. Keine "Mitnahme" der in der bisherigen Entgeltgruppe erreichten Stufe bei Höhergruppierung. Weiter Gestaltungsspielraum und Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung. Allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz als Grenze der Tarifautonomie

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 17 Abs. 4 Satz 1 1. Halbsatz TV-L gilt auch für eine Höhergruppierung bei gleichbleibender, jedoch höher bewerteter Tätigkeit.

2. Es kann nicht von einer unbewussten, ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke ausgegangen werden. Die Tarifvertragsparteien haben sich bei der Höhergruppierung bewusst für die betragsmäßige Stufenzuordnung entschieden und hierfür keine Ausnahme vorgesehen.

3. Die Protokollerklärung zu § 17 Absatz 4 Satz 1 2. Halbsatz belegt, dass die Tarifvertragsparteien die Höhergruppierung der benannten Lehrkräfte von der Entgeltgruppe 11 in die Entgeltgruppe 13 des TV-L lediglich von der Anwendbarkeit des § 17 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz ausnehmen wollten.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine "Mitnahme" der in der bisherigen Entgeltgruppe 11 TV EntgO-L erreichten Stufe kommt nicht in Betracht. Die Tarifvertragsparteien gehen von der typisierenden Betrachtung aus, dass die in der niedrigeren Entgeltgruppe gewonnene Berufserfahrung in der höheren Entgeltgruppe nicht verwertbar ist.

2. Den Tarifvertragsparteien kommt als selbstständigen Grundrechtsträgern aufgrund der von Artikel 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ihnen steht hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und der betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zu. Sie sind nicht verpflichtet, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt.

3. Die Tarifvertragsparteien sind bei ihrer tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte, insbesondere aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; TV L § 17 Abs. 4, § 16 Abs. 2; GG Art. 9 Abs. 3; TVÜ-L § 29a; TV-L Protokollerklärung zu § 17 Abs. 4 S. 1 Hs. 2; TV EntgO-L § 11

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 06.10.2022; Aktenzeichen 13 Ca 109/22)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund, Kammern Neubrandenburg, vom 06.10.2022 zum Aktenzeichen 13 Ca 109/22 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die tarifliche Stufenzuordnung bei der Eingruppierung der klägerischen Tätigkeit als Grundschullehrerin in die Entgeltgruppe 13 TV-L.

Die im September 1967 geborene Klägerin ist seit August 2008 bei dem beklagten Land als Grundschullehrerin zuletzt an einer Grundschule in M-Stadt beschäftigt. Sie ist Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Gemäß arbeitsvertraglicher Inbezugnahme finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der TV-L sowie die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung.

Zum 01.08.2020 wurde das Landesbesoldungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern dahingehend geändert, dass verbeamtete Lehrkräfte an Grundschulen der Besoldungsgruppe A 13 zugeordnet wurden. Die Klägerin war nach den maßgeblichen Eingruppierungsvorschriften zu diesem Zeitpunkt in die Entgeltgruppe 11 Stufe 4 TV-L eingruppiert und sollte zum 01.01.2021 die Entgeltgruppe 11 Stufe 5 TV-L erreichen. Entsprechend der Änderung des Landesbesoldungsgesetzes wurde die Klägerin ab dem 01.08.2020 in die Entgeltgruppe 13 TV-L eingruppiert. Die Stufenzuordnung nahm das beklagte Land nach § 17 Abs. 4 TV-L vor und die Klägerin erreichte danach die Stufe 3. Mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 25.02.2021 (Bl. 6, 7 d.A.) hat die Klägerin von dem Beklagten erfolglos die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 Stufe 4 TV-L ab dem 01.08.2020 gefordert, sowie die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 Stufe 5 TV-L ab dem 01.01.2021.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Zuordnung zur Stufe 4 der Entgeltgruppe 13 TV-L ab dem 01.08.2020 und zur Stufe 5 der Entgeltgruppe 13 TV-L ab dem 01.01.2021.

Die Klägerin hat vorgetragen, ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 TV-L müsse stufengleich, wie nach einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 TV-L vorgesehen, erfolgen. Es handle sich vorliegend nicht um eine Höhergruppierung im Sinne von § 17 Abs. 4 TV-L, weil ihr keine inhaltlich neue, höherwertige Tätigkeit zugewiesen sei. Vielmehr sei dieselbe Tätigkeit mit einer Gesetzesänderung höher bewertet worden. Sie nehme dieselbe Tätigkeit wahr wie zuvor, so dass sie die Berufserfahrung aufbringe, welche mit der S...

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