Entscheidungsstichwort (Thema)
Einmonatiges Fahrverbot ist auch bei einem Berufskraftfahrer im Regelfall kein Grund zur fristlosen Kündigung. Aufrechnung mit Spesenforderung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Verlust der Fahrerlaubnis ist bei einem Berufskraftfahrer an sich ein Grund, der eine Kündigung rechtfertigen kann. Geht das Fahrverbot auf ein Fehlverhalten bei einer Privatfahrt ohne Bezug zum Arbeitsverhältnis zurück, kommt allerdings allenfalls eine personenbedingte ordentliche Kündigung in Betracht. Ist das Fahrverbot auf einen Monat beschränkt, und könnte der Arbeitnehmer diesen Monat weitgehend durch Inanspruchnahme von Urlaub überbrücken, kommt eine Kündigung regelmäßig nicht in Betracht.
2. Für den Berufskraftfahrer besteht die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, seinen Arbeitgeber auf ein verhängtes und demnächst anstehendes Fahrverbot möglichst frühzeitig hinzuweisen. Setzt der Arbeitnehmer den Arbeitgeber erst 14 Tage vor Beginn des Fahrverbots über dieses in Kenntnis, obwohl er selbst seit mehr als 2 Monaten davon Kenntnis hat, liegt eine Verletzung dieser Nebenpflicht vor. Diese kann eine Kündigung im Regelfall nicht rechtfertigen, da der Arbeitgeber immer noch ausreichend Zeit hatte, sich auf die Situation einzustellen.
3. Eine Spesenforderung des Arbeitnehmers kann nicht durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung zum Erlöschen gebracht werden (§ 394 BGB, § 850a ZPO). Solange die vom Arbeitgeber gezahlten Spesen sich noch weit unterhalb der Grenzen bewegen, in denen der Arbeitgeber steuerbegünstigt Spesen zahlen könnte, kann in den bezahlten Spesen kein verstecktes Einkommen erblickt werden. Diese Feststellung widerspricht nicht den unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Rostock, da danach (Ziffer 1.4) Spesen nur insoweit als Einkommen gelten, als nach Abzug der tatsächlichen Aufwendungen ein positiver Betrag verbleibt. Eine pauschale Ansetzung von 1/3 der Spesen als Einkommen kommt nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber die vollen Aufwendungspauschalen zahlt.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1; BGB § 394; ZPO §§ 850a, 850
Tenor
1. Die Berufung wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Bestand eines zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie um die Auszahlung vom Arbeitgeber einbehaltener Lohnbestandteile.
Der Kläger steht seit Dezember 2008 in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten als Kraftfahrer mit Einsatz im In- und Ausland. Der Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer. In dem Arbeitsvertrag vom 13. Dezember 2008 vereinbarten die Parteien einen Lohn in Höhe von 1.300,00 Euro brutto monatlich zuzüglich monatlicher Spesen in Höhe von 500,00 Euro (Kopie als Anlage K 1 überreicht, hier Blatt 24, es wird Bezug genommen).
Von dem abgerechneten Nettoentgelt hat der Beklagte im Juni 2009 einen Betrag in Höhe von 14,85 Euro, im Oktober 2009 in Höhe von 13,07 Euro und November 2009 nochmals in Höhe von 19,40 Euro für Telefonkosten abgezogen, insgesamt also in Höhe von 47,32 Euro. Von dem abgerechneten Nettogehalt für den Monat November 2009 hat der Beklagte außerdem einen Betrag für „Erstattung Strafen” in Höhe von 280,00 Euro netto in Abzug gebracht.
Aufgrund Bußgeldbescheides des Landkreises R vom 23. September 2009, bestandskräftig seit dem 10. Oktober 2009, wurde für den Zeitraum vom 29. Januar 2010 bis 28. Februar 2010 gegenüber dem Kläger ein Fahrverbot angeordnet. Der Führerschein des Klägers wurde in amtliche Verwahrung genommen. Die Parteien streiten über den Zeitpunkt, zu dem der Kläger den Beklagten auf diesen Umstand hingewiesen hat. Unstreitig ist dieser Umstand dem Beklagten jedenfalls spätestens seit dem 17. Januar 2010 bekannt (Angabe des Beklagten im Kündigungsschreiben).
Mit Schreiben vom 29. Januar 2010, dem Kläger zugegangen am 1. Februar 2010, hat der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger fristlos jedoch unter Anrechnung der dem Kläger noch zustehenden Urlaubstage zum 12. Februar 2010 gekündigt (Kopie als Anlage K 2 überreicht, hier Blatt 7, es wird Bezug genommen).
Mit seiner am 18. Februar 2010 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung und begehrt – soweit im Berufungsrechtszug noch von Interesse – des Weiteren die Auszahlung der einbehaltenen Lohnbestandteile in der Gesamthöhe von 327,32 Euro netto.
Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit der Rechtsstreit im Berufungsrechtszug anhängig gemacht wurde, mit Urteil vom 8. September 2010 stattgegeben. Auf dieses Urteil wird wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.
Mit der rechtzeitig eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung verfolgt der Beklagte das Ziel der vollständigen Klagabweisung weiter fort.
Die Kündigung sei fristlos ausgesprochen worden, da der Kläger den Beklagten erst kurz vor Ablauf der 4-Monats-Frist aus § 25 Absatz 2a StVG von dem Fahrverbot unterrichtet habe. Der Kläger sei verp...