Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinstellungsanspruch nach Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung. Keine Wiedereinstellung nach betriebsbedingter Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Kein Wiedereinstellungsanspruch bei Abwicklungsvergleich mit angemessener Abfindung. Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang
Leitsatz (amtlich)
1. Bei betriebsbedingten Kündigungen kann zwar grundsätzlich ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers jedenfalls dann entstehen, wenn sich zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer ergibt. Der Anspruch erwächst aus einer vertraglich Nebenpflicht aus dem noch fortbestehenden Arbeitsverhältnis (BAG, Urteil vom 27.02.1997 - 2 AZR 160/96 - Rn. 32, juris).
2. Sofern nicht der Arbeitgeber einen bestimmten Vertrauenstatbestand geschaffen hat, kann der Arbeitnehmer jedenfalls für den Bereich der betriebsbedingten Kündigung eine Wiedereinstellung wegen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintretender Umstände nicht verlangen (BAG, Urteil vom 06.08.1997 - 7 AZR 557/96 - Rn. 14, juris; BAG, Urteil vom 28.06.2000 - 7 AZR 904/98 - Rn. 28, juris).
3. Ein Abwicklungsvergleich, durch den die Parteien den Streit über die Wirksamkeit einer Kündigung und deren das Arbeitsverhältnis beendigende Wirkung beilegen wollen, schließt einen Wiedereinstellungsanspruch jedenfalls dann regelmäßig aus, wenn in ihm eine Abfindung in angemessener Höhe vereinbart worden ist.
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 313 BGB liegt eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, wenn sich die Umstände, die Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend ändern und die Parteien den Vertrag so nicht geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Nicht Geschäftsgrundlage eines Vertrages sind dagegen alle Regelungen, die die Parteien ausdrücklich als Vertragspflichten im Vertrag aufgenommen haben.
2. Die Freiheit, einen Vertrag zu schließen oder nicht, ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen durch einen Kontrahierungszwang eingeschränkt. Ein solcher Ausnahmefall kann sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergeben, denn § 242 BGB eröffnet die Möglichkeit, jede atypische Interessenlage zu berücksichtigen, bei der ein Abweichen von der gesetzlichen Rechtslage zwingend erscheint.
Normenkette
BGB §§ 779, 313, 242; KSchG § 1a; GG Art. 2 Abs. 1; KSchG § 10; BetrVG § 113
Verfahrensgang
ArbG Rostock (Entscheidung vom 24.01.2023; Aktenzeichen 3 Ca 800/22) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 24.01.2023 zum Aktenzeichen 3 Ca 800/22 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Wiedereinstellung.
Die Klägerin verfügt über einen Hochschulabschluss im Fach Biologie. Sie war gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag (Bl. 5 ff d.A.) ab dem 01.09.2017 als Laborassistentin in der von der Beklagten betriebenen pathologischen Laborpraxis tätig.
Mit Schreiben vom 18.01.2022 (Bl. 8 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich aus betriebsbedingten Gründen zum 28.02.2022. Die Klägerin erhob hiergegen bei dem Arbeitsgericht Rostock Kündigungsschutzklage zum Aktenzeichen 3 Ca 143/23. Unter dem 28.02.2022 schlossen die Parteien einen Abwicklungsvertrag (Bl. 12 - 15 d.A.). Dieser lautet u.a.:
"§ 1 Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Unternehmens aufgrund der ordnungs- und fristgemäßen ordentlichen Kündigung vom 18.1.2022 aus dringenden betrieblichen Gründen mit Ablauf des 28.02.2022 (nachfolgend ›Beendigungstermin‹) enden wird."
...
"§ 13 Ausgleichsklausel
1. Mit der Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle wechselseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich welchen Rechtsgrundes, ob bekannt oder unbekannt, abschließend erledigt.
2. Die Parteien sind sich ferner darüber einig, dass die Mitarbeiterin im Zusammenhang mit ihrer Beschäftigung und deren Beendigung keinerlei Benachteiligung (z.B. Benachteiligungen im Sinne des § 3 AGG) erfahren hat.
3. Mit der Unterzeichnung dieser Abwicklungsvereinbarung erklärt die Mitarbeiterin, die am 4.2.2022 beim Arbeitsgericht Rostock eingereichte Kündigungsschutzklage zurückzunehmen und auch auf weitere Klagen in dieser Kündigungsangelegenheit zu verzichten."
Unter § 3 haben die Parteien vereinbart, dass die Klägerin als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes von der Beklagten eine Abfindung in Höhe von 10.000,00 € brutto erhält. Ursprünglich waren 7.000,00 € brutto als Abfindung vorgesehen. 10.000,00 € wurden durch handschriftlich hinzugefügte Änderung vereinbart.
Im März 2022 kündigten zwei Mitarbeiterinnen der Beklagten ihre Arbeitsverhältnisse.
Am 05.04.2022 bot die Beklagte über die Internetpräsenz der Bund...