Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer im Jobcenter mit der Bearbeitung von Widerspruchs- auch Klageverfahren beschäftigten Diplom-Verwaltungswirtin. Unbegründete Eingruppierungsfeststellungsklage bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitnehmerin zum Erwerb gleichwertiger Kenntnisse des materiellen Rechts und der Rechtsanwendung sowie zum Erfordernis eines gesteigerten Wissens und Könnens
Leitsatz (amtlich)
Zur Eingruppierung einer Sachbearbeiterin im Jobcenter nach dem TVöD-V i.V.m. BAT-O/VKA, die sowohl Widerspruchs- als auch Klageverfahren bearbeitet. Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a (Heraushebung als besonders verantwortungsvoll) bejaht, Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 a (Heraushebung durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung) verneint.
Leitsatz (redaktionell)
1. Sind gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen am Maßstab einer einschlägigen akademischen Ausbildung zu bestimmen, muss die Angestellte nicht über genau das gleiche Wissen und Können verfügen, wie es durch die einschlägige Hochschulausbildung vermittelt wird. Gefordert ist aber ein gleichwertiges Wissen und Können und damit eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes, wobei Fachkenntnisse auf einem nur eng begrenzten Teilgebiet dieser Ausbildung nicht ausreichen.
2. Das rechtswissenschaftliche Studium hat das Ziel, das Recht mit Verständnis erfassen und anwenden zu können, die dazu erforderlichen rechtswissenschaftlichen Methoden zu beherrschen und die notwendigen Kenntnisse in den Prüfungsfächern mit ihren geschichtlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und rechtsphilosophischen Grundlagen zu vermitteln.
3. Mit der Ausbildung zur Diplom-Verwaltungswirtin werden Kenntnisse auf Teilgebieten des rechtswissenschaftlichen Studiums erworben, insbesondere im allgemeinen und besonderen Verwaltungsrecht, die jedoch noch nicht zu einer ähnlich gründlichen Beherrschung anderer Rechtsgebiete führen, wie sie im rechtswissenschaftlichen Studium vermittelt und geprüft werden; gleiches gilt für die wissenschaftliche Methodik der Rechtsanwendung, zu der eine tiefgehende Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung und den Lehrmeinungen gehört.
4. Die tarifliche Anforderung der besonderen Schwierigkeit einer Tätigkeit bezieht sich auf die fachliche Qualifikation der Angestellten und damit auf ihr fachliches Können und ihre fachliche Erfahrung. In der Vergütungsgruppe IV a BAT-O/VKA wird ein Wissen und Können verlangt, das die Anforderungen der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a BAT-O/VKA in gewichtiger Weise (beträchtlich) übersteigt, wozu es noch nicht genügt, dass eine Tätigkeit schwieriger ist als in der Vergütungsgruppe IV b BAT-O/VKA sondern sich durch eine besondere Schwierigkeit herausheben muss.
5. Im Arbeitsvorgang “Bearbeitung von Widerspruchsverfahren im Rechtskreis des SGB II„ wird kein Wissen und Können benötigt, das die Anforderungen der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a BAT-O/VKA (die wiederum auf den gründlichen, umfassenden Fachkenntnissen der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a BAT-O/VKA aufbaut) in gewichtiger, beträchtlicher Weise übersteigt, da die Fertigung von Widerspruchsbescheiden ebenso wie die dafür benötigten Rechtskenntnisse bereits Gegenstand des Fachhochschulstudiums sind und auch eine Zusatzausbildung nicht erfordern.
6. Der Arbeitsvorgang “Bearbeitung von Klageverfahren im Rechtskreis des SGB II„ erfordert kein deutlich gesteigertes Wissen und Können im Verhältnis zur Vergütungsgruppe IV b BAT-O/VKA. Dieser Arbeitsvorgang setzt die gleichen Kenntnisse des materiellen Rechts voraus wie die Bearbeitung von Widersprüchen.
Normenkette
BAT-O VKA § 22; TVÜ-VKA § 17 Abs. 1, 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 28.07.2015; Aktenzeichen 1 Ca 168/14) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 28.07.2015 - 1 Ca 168/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Klägerin nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der Fassung für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V).
Die am 27.02.1979 geborene Klägerin schloss im September 2000 ihr Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege in G. als Diplom-Verwaltungswirtin ab. Die dreijährige Ausbildung begann mit einem theoretischen Teil an der Fachhochschule im Umfang eines Jahres. Darauf folgte eine einjährige praktische Phase, während der die Klägerin verschiedene Stationen in der Stadtverwaltung A-Stadt durchlief. Das letzte Studienjahr verbrachte sie wiederum an der Fachhochschule und legte schließlich erfolgreich ihre Prüfung in den Fächern Allgemeines Verwaltungsrecht, Besonderes Verwaltungsrecht, Privatrecht sowie Finanz-, Staats- und Europarecht ab.
Zum 01.10.2000 nahm sie eine zunächst befristete Beschäftigung bei der Hansestadt A-Stadt auf und war während der ersten drei Monate in der ...