Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung und Stufenzuordnung einer im Arbeitgeberservice des Jobcenters tätigen Arbeitnehmerin. Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Tätigkeiten einer Personalserviceberaterin im Jobcenter, die als Ansprechpartnerin für Arbeitgeber fungiert und über die Gewährung von Eingliederungsleistungen entscheidet, können einen einheitlichen Arbeitsvorgang im Sinne des § 22 BAT-O bzw. § 12 Abs. 2 TVöD-V VKA bilden.
2. Die Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung lassen sich auf die Stufenzuordnung im Sinne einer Rückstufung übertragen, wenn sich die Stufenzuordnung auf eine bloße Rechtsanwendung im Rahmen tariflicher Vorgaben beschränkt und nicht auf einer rechtsgestaltenden Entscheidung, z. B. einer Ermessensausübung, beruht (BAG, Urteil vom 05. Juni 2014 - 6 AZR 1008/12 - Rn. 13, juris = ZTR 2014, 530).
3. Im Falle der korrigierenden Rückgruppierung bzw. Rückstufung trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Stellt er ein bestimmtes Heraushebungsmerkmal in Abrede, muss er in Form eines wertenden Vergleichs zwischen den jeweiligen Vergütungsgruppen darlegen, weshalb das Heraushebungsmerkmal nicht erfüllt ist. Das Heraushebungsmerkmal ist den Anforderungen der vorhergehenden Vergütungsgruppe gegenüberzustellen.
Normenkette
BAT-O § 22; TVöD-V VKA § 12; TVöD-V VKA § 15; TVöD-V VKA § 16; TVÜ-VKA § 17
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 28.07.2015; Aktenzeichen 1 Ca 215/14) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 28.07.2015 - 1 Ca 215/14 - abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.01.2013 nach der Entgeltgruppe 9 Stufe 6 TVöD-V VKA i. V. m. der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a der Anlage 1 a zu §§ 22 ff. BAT-O und ab dem 01.01.2017 nach der Entgeltgruppe 9 c Stufe 6 TVöD-V VKA zu vergüten.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Eingruppierung und Stufenzuordnung der Klägerin nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der Fassung für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V VKA).
Die 1960 geborene Klägerin nahm zum 15.08.1983 beim Rat der Stadt B-Stadt eine Beschäftigung als Steno-Sachbearbeiterin auf. Zum 01.01.1988 wechselte sie gemäß Änderungsvertrag vom selben Tag auf die Position einer Leitenden Mitarbeiterin für Jugendfragen. An die Stelle des Rates der Stadt B-Stadt trat später die Hansestadt B-Stadt.
Diese setzte die Klägerin ab dem 01.01.2005 in der seinerzeit zusammen mit der Agentur für Arbeit gebildeten Arbeitsgemeinschaft, sog. ARGE (vgl. § 44 b SGB II a. F.) ein. Die Klägerin erhielt zunächst die Vergütung der Vergütungsgruppe (VergGr.) V b BAT-O. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme dem einschlägigen Tarifrecht des öffentlichen Dienstes. Mit dem Inkrafttreten des TVöD-V VKA wechselte die Klägerin in die Entgeltgruppe (EG) 9 Stufe 5. Die Klägerin war im Arbeitgeberservice des Jobcenters tätig. Dort war sie mit der Arbeitsvermittlung für Arbeitgeberkunden einschließlich der Entscheidung über Förderungsanträge befasst.
In den Jahren 2007 bis 2009 bildete sich die Klägerin berufsbegleitend zur Verwaltungsfachwirtin weiter.
Nachdem die Klägerin einen Antrag auf Überprüfung ihrer Eingruppierung gestellt hatte, gruppierte die Hansestadt B-Stadt sie ausweislich des Schreibens vom 15.08.2011 rückwirkend zum 01.01.2011 in die VergGr. IV b Fallgruppe 1 a BAT-O (= EG 9 TVöD-V VKA) um.
Am 04.09.2011 trat das Gesetz zur Neuordnung der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 12.07.2010 (Landkreisneuordnungsgesetz - LNOG M-V) in Kraft, mit dem das Jobcenter der Hansestadt B-Stadt auf den Beklagten überging. Zugleich gingen gemäß § 27 Abs. 3 LNOG M-V die Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer auf den Beklagten über, die ausschließlich mit den übergegangenen Aufgaben betraut waren. Das betraf auch die Klägerin.
Der Beklagte stufte die Klägerin zum 01.10.2012 nach Ablauf der fünfjährigen Stufenlaufzeit in der Stufe 5 in die EG 9 Stufe 6 TVöD-V VKA um und zahlte das entsprechende Entgelt.
Seit dem 01.01.2013 ist der gesamte Landkreis als zugelassener kommunaler Träger im Sinne der §§ 6 ff. SGB II anstelle der Bundesagentur für Arbeit Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aus diesem Anlass fasste der Beklagte die bis dahin fortbestehenden gemeinsamen Einrichtungen B-Stadt und Rügen sowie das kommunale Jobcenter Nordvorpommern, für das die Option der ausschließlich kommunalen Trägerschaft schon seit Januar 2012 galt, organisatorisch zusammen.
Aus diesem Anlass erstellte der Beklagte für die Klägerin am 05.06.2013 rückwirkend zum 01.01.2013 eine Stellenbeschreibung mit dem folgenden Inhalt:
"...
Funktionsbezeichnung
Personalserviceberater für Arbeitgeber
...
Der/die Stelleninhaber/in ist unmittelbar unterstellt
Teamleiter Persona...