Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbrechung des Kündigungsschutzverfahrens wegen Insolvenz. Keine Unterbrechung des Prozesskostenhilfeverfahrens wegen Insolvenz. Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Unterbrechung des Kündigungsschutzverfahrens wegen Insolvenz des Arbeitgebers führt nicht zu einer Beendigung des Verfahrens. Denn der Insolvenzverwalter und der Arbeitnehmer können grundsätzlich das unterbrochene Kündigungsschutzverfahren wieder aufnehmen. Das gilt nach § 24 Abs. 2 InsO auch bei einer vorläufigen Insolvenz.
2. Die Unterbrechung des Hauptverfahrens gem. § 240 ZPO führt nicht zu einer Unterbrechung des Prozesskostenhilfeverfahrens. Denn der Prozesskostenhilfeantrag betrifft nicht die Insolvenzmasse.
3. Im Prozesskostenhilfeverfahren kann ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn der unkundige Arbeitnehmer der Unterstützung bei der Prozessführung bedarf. Dies ist bei einem Kündigungsschutzprozess "in Insolvenznähe" des Arbeitgebers der Fall. Zur Rechtsverfolgung i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO gehört auch der Antrag auf Aufnahme des Kündigungsschutzverfahrens nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO.
Normenkette
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 4, §§ 240, 250, 259; InsO § 24 Abs. 2, § 86 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
ArbG Augsburg (Entscheidung vom 12.05.2020; Aktenzeichen 10 Ca 88/20) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 12.05.2020 - 10 Ca 88/20 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für die I. Instanz mit Wirkung ab 09.03.2020 unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt Y in Bezug auf die Anträge aus der Klageschrift zu 1, 2 und 3 bewilligt.
Es werden monatliche Raten in Höhe von 189,00 € festgesetzt.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Im Ausgangsverfahren hat sich der Kläger gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses gewandt und Weiterbeschäftigung sowie Zahlung der zukünftigen Vergütung begehrt. Mit Klageschrift vom 15.01.2020 beantragte er Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten und kündigte an, die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachzureichen.
Durch Beschluss vom 05.02.2020 ordnete das AG B-Stadt zum Az. IN .../20 die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Beklagten an; zudem sollten Verfügungen der Beklagten nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sein.
Durch Beschluss vom 28.02.2020 stellte das Arbeitsgericht Augsburg fest, dass das Verfahren gem. § 240 (S.2) ZPO unterbrochen sei.
Am 09.03.2020 übersandte der Kläger die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
Durch Beschluss vom 12.05.2020 hat das Arbeitsgericht Augsburg den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Sei ein Rechtsstreit wegen Insolvenz unterbrochen, habe ein Rechtsstreit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Prozesskostenhilfe bei unterbrochenen Verfahren könne nur noch bewilligt werden, wenn der PKH-Antrag nebst vollständig ausgefüllter Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorläge, sog. steckengebliebenes PKHGesuch (im Anschluss an LAG Hamm, Beschluss vom 30.01.2006 - 4 Ta 830/05 -). Der Beschluss ging dem Klägervertreter am 20.05.2020 zu. Hiergegen hat der Kläger am 22.05.2020 sofortige Beschwerde eingelegt. Zwar liege ein sog. steckengebliebenes Prozesskostenhilfegesuch dann vor, wenn das Gesuch bei Insolvenz des beklagten Arbeitgebers im Zeitpunkt der Unterbrechung des Hauptsacheverfahrens entscheidungsreif gewesen sei. Das Arbeitsgericht hätte den Kläger auf die Mängel des am 15.01.2020 eingereichten Prozesskostenhilfegesuches hinweisen müssen.
Mit Beschluss vom 28.05.2020 hat das Arbeitsgericht Augsburg der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Eine Hinweispflicht habe weder gem. § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO noch gem. § 139 ZPO bestanden. Der Kläger hätte bei Verfahrensbeendigung die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch nicht eingereicht. Teile der anwaltlich vertretene Kläger mit Antragstellung mit, er wolle die Erklärung nachreichen, so mache er deutlich, dass er die Mängel seines Prozesskostenhilfegesuchs kenne.
Mit Schriftsatz vom 15.06.2020 hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass es für die Beurteilung der Bewilligungsfähigkeit auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankomme, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Prozesskostenhilfebitte gem. § 114 ZPO keine Aussicht auf Erfolg habe.
II.
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 12.05.2020 ist zulässig und jedenfalls teilweise begründet.
1. Die sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO) und damit zulässig.
2....