Entscheidungsstichwort (Thema)
Offensichtlich gesetzwidriger Verweisungsbeschluss bei fehlender Erörterung eines zuständigkeitsbegründenden Erfüllungsortes. Bestimmung des zuständigen Gerichts nach Erlass eines nicht bindenden Verweisungsbeschlusses
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verweisungsbeschluss verstößt gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör und ist nicht bindend, wenn das verweisende Gericht in seiner Entscheidung mit keinem Wort auf den bei ihm bestehenden Erfüllungsort eingeht.
2. Eine Bestimmung des zuständigen Gerichts nach einem nicht bindenden Verweisungsbeschluss ist abzulehnen, wenn bisher nicht geklärt ist, ob bei mehreren Beklagten ein einheitlicher Gerichtsstand und wenn ja welcher in Betracht kommt und zumindest hinsichtlich einer Partei auch noch die Frage des Rechtswegs zu prüfen ist.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1; ArbGG § 48 Abs. 1a; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6; ArbGG § 48 Abs. 1; GVG § 17a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 24.05.2013; Aktenzeichen 3 Ca 1003/13) |
Tenor
1. Auf den Vorlageschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 24.05.2013 (Az. 3 Ca 1003/13) wird der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts München vom 19.04.2013 (Az. 2 Ca 1364/13) aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung - auch zur erneuten Prüfung der Zuständigkeit - an das Arbeitsgericht München zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit zum Arbeitsgericht München am 06.02.2013 erhobener Klage verfolgt der Kläger verschiedene Zahlungsansprüche gegen die beiden in C-Stadt niedergelassenen Beklagten sowie einen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses gegen die Beklagte zu 1.).
Der Kläger war von Mai 2012 bis September 2012 bei der Beklagten zu 1.) in einer von dieser betriebenen Privatklinik in F-Stadt als Direktor beschäftigt. Rechtsgrundlage dafür war ein zwischen den Parteien am 24.04.2012 geschlossener Arbeitsvertrag (Bl. 18/22 d.A.).
In einer dazu getroffenen Zusatzvereinbarung vom 01.05.2012 (Bl. 24 d.A. Rückseite bis Bl. 25 d.A.) vereinbarten die Parteien, dass der Kläger "teilzeitig" auch Leistungen an einem anderen Standort "Stahlbad G." in G-Stadt erbringt und dafür etwa ein bis zweimal pro Monat Reisen dorthin übernimmt. Mit der Beklagten zu 2.) wurde am 24./30.04.2012 ein Rahmenvertrag (Bl. 29/31 d.A.) geschlossen, nachdem der Kläger ab 01.05.2012 als Berater mit Schwerpunkt in H-Stadt tätig sein sollte, für die eine "übliche Verfügbarkeit" für die Beklagte zu 2.) zwischen sechs und acht vollen Tagen monatlich "angesetzt" wurde. Im Weiteren heißt es dort:
§ 4
Arbeitszeit und -ort
Der Berater ist in der Wahl des Zeitaufwandes für die zu erbringenden Beratungsleistungen frei. Es liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen festzulegen, wie viel Zeit im Einzelfall zur Erfüllung der in § 1 bezeichneten Aufgaben erforderlich ist. Unabhängig davon verpflichtet sich der Berater, die übernommenen Aufgaben innerhalb gesetzter Fristen zu erledigen.
Der Berater ist in der Wahl seines Arbeitsortes frei.
Der Berater hat die Arbeiten eigenständig, eigenverantwortlich und mit unbedingter Sorgfalt durchzuführen. In der Ausübung der übernommenen Aufgaben ist der Berater weisungsfrei. Es steht dem Berater zu, die Übernahme einer Aufgabe abzulehnen. Fälle einer Verhinderung (Urlaub, Krankheit usw.) wird der Berater der Auftraggeberin umgehend mitteilen.
Der Kläger verfolgt Vergütungsansprüche sowohl als Lohn gegen die Beklagte zu 1.) wie als Honorar (incl. Umsatzsteuer) gegen die Beklagte zu 2.).
Nach einem dem Arbeitsgericht vorgelegten Beschluss des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 28.01.2013 (Bl. 48 d.A.) ist über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet und eine Insolvenzverwalterin bestellt worden.
Nach - erfolglosem - Gütetermin vom 06.03.2013 hat die Beklagte zu 2.) die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts München gerügt.
Durch Beschluss vom 19.04.2013 hat sich daraufhin das Arbeitsgericht München für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Bonn verwiesen.
Durch Beschluss vom 24.05.2013 hat sich auch das Arbeitsgericht Bonn für örtlich unzuständig erklärt und die Angelegenheit dem Landesarbeitsgericht München zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
Das Verfahren ist an das Arbeitsgericht München zurückzuverweisen.
Zwar ist die Auffassung des Arbeitsgerichts Bonn zutreffend, dass der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts München nicht bindend ist. Die Entscheidung über die Frage des tatsächlich zuständigen Gerichts kann derzeit jedoch noch nicht getroffen werden. Diese hängt nämlich nicht alleine davon ab, ob im Verhältnis zur Beklagten zu 1.) sich eine Zuständigkeit des Arbeitsgerichts München allein aus der Vorschrift des § 48 Abs. 1 a ArbGG begründen lässt und das Arbeitsgericht München gerade dies übersehen hat. Denn damit würde übergangen, dass sich die Klage gegen zwei Beklagte richtet, die beide ihren Gerichtsstand nicht im Bereich des Arbeitsgerichts München haben und erst recht zweifelhaft ist, ob sich ein Gerichtsstand...