Entscheidungsstichwort (Thema)
Nicht unerhebliche Erhöhung der Arbeitszeit
Leitsatz (amtlich)
1. Eine sowohl nach Dauer als auch nach Umfang nicht unerhebliche Erweiterung der regelmäßigen Arbeitszeit eines im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmers stellt eine erneute Einstellung i.S. des § 99 Abs. 1 BetrVG dar (BAG 25.1.2005 1 ABR 59/03 AP Nr. 114 zu § 87 BetrVG 1972).
2. Die Frage, ob eine Erhöhung der Arbeitszeit als nicht unerheblich anzusehen ist, darf nicht nur im Hinblick auf den einzelnen betroffenen Arbeitnehmer beantwortet werden. Entscheidend ist zu berücksichtigen, ob durch die Aufstockung der Arbeitszeit bereits beschäftigter Arbeitnehmer die Interessen der Belegschaft berührt sein können. Und hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitgeber nicht nur die Arbeitszeit eines einzelnen Arbeitnehmers erhöhen will, sondern die Arbeitszeit von mehreren oder einer Vielzahl seiner Arbeitnehmer; dies kann durchaus gravierende Auswirkungen auf die Belegschaft haben.
3. Eine erneute Eingruppierungsentscheidung ist nicht zu treffen, wenn sich durch die Erhöhung der Arbeitszeit die Eingruppierung nicht ändert.
4. Der Betriebsrat hat einen Anspruch auf Auskunft, mit welchen Arbeitnehmern der Arbeitgeber eine Erhöhung der Arbeitszeit vereinbart hat ohne das Verfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG durchzuführen.
Normenkette
BetrVG § 99
Verfahrensgang
ArbG Rosenheim (Beschluss vom 24.10.2006; Aktenzeichen 1 BV 17/06 Mü) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes Rosenheim vom 24.10.2006 – 1 BV 17/06 Mü – teilweise abgeändert:
- Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, in Bezug auf die Arbeitnehmer (1) D. (2) O. (3) E. (4) K. (5) S. (6) K. (7) M. (8) S. (9) K. (10) W. (11) T. (12) M. (13) L. (14) S. vor einer Beschäftigung dieser Betriebsangehörigen mit 42 Wochenstunden, die Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG einzuholen.
- Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, dem Beteiligten zu 1) mitzuteilen, mit welchen Arbeitnehmern sie eine Verlängerung der bisherigen Arbeitszeit seit 1.1.2006 vereinbart hat, die in Ziffer 1 nicht aufgeführt sind.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beteiligte zu 2 vor einer Änderung der wöchentlichen Arbeitszeit von einzelnen Arbeitnehmern von 38,5 Stunden auf 42 Stunden verpflichtet ist, gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrates (Beteiligter zu 1) zur Einstellung und zur Eingruppierung einzuholen, und ob die Verpflichtung besteht, mitzuteilen, mit welchen Arbeitnehmern sie eine Verlängerung der bisherigen Arbeitszeit seit 1.1.2006 vereinbart hat.
Die Beteiligte zu 2 hat einen Betrieb der Fleischwarenindustrie mit etwa 270 Arbeitnehmern. Der Beteiligte zu 1 ist der im Betrieb bestehende Betriebsrat.
Der für die Beteiligte zu 2 geltende Tarifvertrag, der Manteltarifvertrag für die S. GmbH, die S. GmbH und die S. GmbH, regelt in § 8 und 9 die wöchentliche Arbeitszeit; die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt danach 38,5 Stunden. Dieser Manteltarifvertrag ist zum 31.5.2006 gekündigt worden und befindet sich in der Nachwirkung.
Die Beteiligte zu 2 hat mit den bei ihr schon länger beschäftigten Arbeitnehmern D., O., E., K., S., K., M., S., K., W., T., M., L. und S. eine Verlängerung der individuellen Arbeitszeit von 38,5 Stunden auf 42 Stunden in der Woche einzelvertraglich vereinbart. Eine Beteiligung des Beteiligten zu 1 hierzu ist nicht erfolgt.
Ferner hat die Beteiligte zu 2 Gespräche mit anderen Arbeitnehmern geführt, aufgrund derer ebenfalls Änderungen des jeweiligen Einzelarbeitsvertrages vereinbart wurden. Mit welchen weiteren Arbeitnehmern diese Vertragsveränderungen erfolgt sind, hat die Beteiligte zu 2 dem Beteiligten zu 1 nicht mitgeteilt.
Am 1.6.2006 hat der Beteiligte zu 1 beschlossen, gegen die Beteiligte zu 2 das streitgegenständliche Beschlussverfahren einzuleiten.
Der Beteiligte zu 1 ist der Auffassung, dass die Vereinbarung der Verlängerung der individuellen Arbeitszeit eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme darstelle, die der Zustimmung des Betriebsrates bedürfe. Da es sich um eine mitbestimmungspflichtige Einstellung handele, habe die Beteiligte zu 2 auch die Zustimmung des Betriebsrates zur Eingruppierung einzuholen und im Zustimmungsverweigerungsfalle das Zustimmungsersetzungsverfahren zu betreiben. Da der Beteiligte zu 1 aus eigener Anschauung nicht abschließend bewerten könne, ob er vollständig über die Entscheidung der Beteiligten zu 2 unterrichtet sei, habe er Anspruch auf Auskunft, mit welchen Arbeitnehmern die Beteiligte zu 2 eine Verlängerung der bisherigen Arbeitszeit seit 1.1.2006 vereinbart habe.
Der Beteiligte zu 1 beantragt im ersten Rechtszug:
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, in Bezug auf die Arbeitnehmer
D., |
O., |
E., |
K., |
S., |
K., |
M., |
S., |
K., |
W., |
T., |
M., |
L., |
S., |
vor einer – hilfsweise anlässlich der geplanten ...