Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Erhöhung des Gegenstandswerts bei Mehrvergleich im Recht der Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (redaktionell)

Haben die Parteien einen prozessbeendenden Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO vom Gericht feststellen lassen, muss danach über den Prozesskostenhilfeantrag sowie dessen Erstreckung auf den Mehrvergleich entschieden werden. Eine Erhöhung des Gegenstandswerts durch den Vergleich kommt aber nicht in Betracht, wenn die Prozesskostenhilfe mit der Klageerhebung für das Klageverfahren beantragt worden ist und keine Anhaltspunkte zu erkennen sind, dass zu diesem Zeitpunkt der Abschluss eines Vergleichs bereits im Raum gestanden hätte. Es bleibt bei der 1,0-Einigungsgebühr für den Vergleichsmehrwert.

 

Normenkette

ZPO § 128 Abs. 2, § 278 Abs. 6, §§ 307, 495a; RVG § 48; RVG-VV Nr. 1003 Abs. 1 S. 1, Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Rosenheim (Entscheidung vom 28.10.2021; Aktenzeichen 1 Ca 717/21)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 28. Oktober 2021 - 1 Ca 717/21 unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert:

Die der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung wird auf € 1.167,43 festgesetzt.

 

Gründe

1. Die Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Höhe der der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung.

Die Klagepartei hat, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, mit Klage vom 2. Juli 2021, unter gleichzeitiger Beantragung von Prozesskostenhilfe mit einem gesonderten Schriftsatz vom selben Tag (Bl. 1 ff. d. PKH-Heftes), beim Arbeitsgericht Rosenheim die Zahlung von Ausbildungsvergütung und die Erteilung von Abrechnungen gegen den Beklagten geltend gemacht.

Mit Beschluss vom 27. Juli 2021 (Bl. 22 ff. d. A.) hat das Arbeitsgericht nachfolgenden Vergleich festgestellt:

"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen beste hende Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen zur Vermeidung einer ansonsten erfolgenden Arbeitgeberkündigung, mit Ablauf des 31.07.2021 sein Ende finden wird.

2. Die Beklagte stellt die Klägerin ab sofort unwiderruflich von der Ar beitsleistung, unter Einbringung offenen Urlaubs und von Überstunden- und Gleitzeitguthaben sowie unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung in Höhe von € 713,00 brutto sowie ordnungsgemäßer Anmeldung bei den Sozialversicherungsträgern und Abführung der entsprechenden Beiträge, von der Arbeitsleistung frei. Bis zum Beendigungstermin erhält die Klägerin die geschuldete Vergütung abgerechnet und ausgezahlt, soweit Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind. Insbesondere erhält die Klägerin auch für die Monate Mai 2021 sowie Juni 2021 ihre monatlichen Bezüge in Höhe von € 713,00 brutto.

3. Die Beklagte verpflichtet sich die Lohnabrechnungen für die Monate Mai 2021, Juni 2021 und Juli 2021 entsprechend diesem Vergleich zu erstellen und der Klägerin zu übermitteln.

4. Der Urlaub sowie etwaige Freizeitguthaben wurden in natura ge währt. Diesbezügliche Abgeltungsansprüche bestehen nicht.

5. Die Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin zum Beendigungszeit punkt ein qualifiziertes Arbeitszeugnis auf dem Original-Firmenbogen, ungeknickt, ungeheftet und ungefaltet, mit der Gesamtbewertung "stets zur vollen Zufriedenheit" sowie einer entsprechenden Begründung im Verhaltens- und Leistungsbereich, die diese Gesamtbewertung trägt, zu erteilen. In dem Zeugnis sind sämtliche Tätigkeiten der Klägerin, die sie ausgeführt hat, ausführlich zu beschreiben. Die Beklagte verpflichtet sich, die Schlussformel wie folgt zu formulieren: "Das Ausbildungsverhältnis von Frau A. endet auf ihren eigenen Wunsch. Wir bedauern ihr Ausscheiden, da wir eine wertvolle Mitarbeiterin verlieren, und danken ihr für Ihre erfolgreiche Tätigkeit in unserem Unternehmen. Für die Zukunft wünschen wir ihr weiterhin viel Erfolg und persönlich alles Gute.

Die Beklagte verpflichtet sich, Auskünfte an Dritte nur auf Basis des Arbeitszeugnisses zu erteilen.

6. Die Beklagte wird die Arbeitspapiere, vor allem bestehend aus dem Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2021 und der Meldebescheinigung zur Sozialversicherung, sowie die Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III, entsprechend diesem Vergleich ausfüllen und dann an die Wohnadresse der Klägerin versenden.

7. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind, vorbehaltlich der in dieser Vereinbarung bezeichneten Ansprüche, alle gegenseitigen finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung - gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt - gegeneinander abgegolten und erledigt. Hiervon ausgenommen sind unverzichtbare Ansprüche."

Mit Beschluss vom 29. Juli 2021 (Bl. 35 f. d. PKH-Heftes) hat das Arbeitsgericht der Klagepartei ratenfreie Prozesskostenhilfe ab Antragstellung ("14. Juli 2021") für die Klageanträge und den Vergleichsabschluss unter Beior...

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