Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergleichsmehrwert und anwaltliche Einigungsgebühr im Rahmen der Prozesskostenhilfe. Bestimmung der Terminsgebühr für beigeordneten Rechtsanwalt
Leitsatz (amtlich)
Ein im Wege der PKH beigeordneter Rechtsanwalt kann nur eine 1,0 Einigungsgebühr, jedoch eine 1,2 Terminsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert verlangen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Es stellt keine Erschwerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung einer bedürftigen Person dar, wenn ihr Prozessvertreter nur eine 1,0-Einigungsgebühr für den Vergleichsmehrwert erhält, sondern die Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich geboten war.
2. Nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV erhält ein Prozessvertreter eine 1,2-Terminsgebühr, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, einvernehmlich zwischen den Parteien nach § 307 ZPO bzw. § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, gleichgültig, ob mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts ein Einigungsvertrag zustande kommt oder eine Erledigung der Rechtssache erfolgt.
Normenkette
RVG §§ 45, 48 Abs. 1, § 60 Abs. 1; ZPO § 128 Abs. 2, § 278 Abs. 6, §§ 307, 495a; RVG-VV Nr. 1003 Abs. 1 S. 1, Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 28.10.2021; Aktenzeichen 30 Ca 1954/21) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 28. Oktober 2021 - 30 Ca 1954/21 unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert:
Die der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wird auf 1.532,71 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Höhe der dem Prozessbevollmächtigten der Klagepartei aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung.
Die Klagepartei hat sich mit Klage vom 26. Februar 2021 beim Arbeitsgericht München unter Beantragung von Prozesskostenhilfe, auch für einen etwa abgeschlossenen Vergleich, gegen eine ordentliche Kündigung der Beklagten vom 15. Februar 2021 gewandt und mit dem Kündigungsschutzantrag einen allgemeinen Feststellungsantrag, gerichtet auf den unveränderten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist, angebracht.
Nach ergebnisloser Güteverhandlung am 4. Mai 2021 bat die Prozessbevollmächtigte der Klagepartei mit Schriftsatz vom 16. Juni 2021 um Feststellung des darin enthaltenen Vergleiches gemäß § "289" VI ZPO. Nach Zustimmung der Gegenpartei stellte das Gericht mit Beschluss vom 28. Juni 2021 nachfolgenden Vergleich fest:
"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung vom 15.02.2021 aus betrieblichen Gründen mit Ablauf des 31.03.2021 geändert hat.
2. Die Beklagte zahlt an die Klägerin eine soziale Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes gemäß §§ 9, 10 KSchG i.H.v. 3.250,00 € brutto.
3. Die Beklagte zahlt an die Klägerin Urlaubsabgeltung für 10 nicht genommene Urlaubstage i.H.v. 979,60 € brutto.
4. Die Beklagte erteilt der Klägerin ein Arbeitszeugnis, welches sich auf Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Einzel- und Gesamtbeurteilungen zu Leistung und Verhalten jeweils der Note "gut" entsprechen. Das Zeugnis enthält eine übliche Beschlussformel (Bedauern, Dank und gute Wünsche) ebenfalls der Note "gut".
5. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten und erledigt."
Das Arbeitsgericht hat der Klagepartei mit Beschluss vom 30. März 2021 ab 1. März 2021 ratenfreie Prozesskostenhilfe für die erste Instanz bewilligt und Rechtsanwältin B. als Prozessvertreterin beigeordnet (Bl. 103 ff. d. PKH-Heftes).
Auf Antrag der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei vom 6. Juli 2021 (Bl. 24 ff. d. A.) hat das Arbeitsgericht in Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren auf € 6.367,44 und für den Vergleich auf € 9.468,52 festgesetzt (Bl. 27 ff. d. A.).
Mit Schriftsatz vom 9. August 2021 hat die Prozessbevollmächtigte der Klagepartei die Festsetzung ihrer aus der Staatskasse zu entrichtenden Gebühren auf insgesamt 1.734,41 € begehrt (Bl. I ff. d. Kostenheftes). Hinsichtlich der beantragten Gebühren für den Vergleichsmehrwert wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle darauf hin, als Einigungsgebühr für den Vergleichsmehrwert könne nur eine 1,0 Gebühr festgesetzt werden; zwar sei auch beantragt, Gebühren aus dem festgesetzten Vergleichswert zu erstatten, was aber nur in Betracht komme, wenn für die nicht anhängigen Ansprüche entweder davor ein entsprechender Antrag gestellt worden sei oder bei einem stillschweigend gestellten Antrag das Gericht die Prozesskostenhilfe auch für den nicht anhängigen Ansprüche ausdrücklich bewilligt habe (Bl. IV ff. d. Kostenheftes). Hierzu hat die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 10. September 2021 Stellung genommen.
Mit Beschluss vom 1. Oktober 2021 hat die Urku...