Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufungsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Zustellung eines arbeitsgerichtlichen Urteils später als fünf Monate nach der Verkündung, aber noch vor Ablauf von sechs Monaten, hat die Rechtsmittelbelehrung anzugeben, dass eine Berufung nur bis zum Ablauf von sechs Monaten ab der Urteilsverkündung eingelegt werden kann.

2. Lautet in einem solchen Fall die Rechtsmittelbelehrung nur dahingehend, dass innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils Berufung eingelegt werden kann, genießt der Berufungsführer grundsätzlich Vertrauensschutz hinsichtlich der vom Gericht – unzutreffend – erteilten Rechtsmittelbelehrung (Anschluss an BAG v. 16.12.2004, 2 AZR 611/03 und LAG Nürnberg v. 28.10.2002, 2 SHa 5/02).

3. Die Berufung auf Vertrauensschutz ist jedoch nicht möglich, wenn die Fristberechnung ab dem Verkündungsdatum zunächst zutreffend mit insgesamt sechs Monaten erfolgte und nach Zustellung des mit unzutreffender Rechtsmittelbelehrung versehenen Urteils – ohne weitere Sachprüfung – auf einen Monat nach dem Zustellungszeitpunkt abgeändert wird.

 

Normenkette

ArbGG § 9 Abs. 5 S. 4, § 66 Abs. 1 Sätze 1-2; ZPO § 233

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 24.02.2010; Aktenzeichen 29 Ca 200/09)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München – Kammer Weilheim – vom 24.02.2010 – 29 Ca 200/09 – wird unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags vom 10.09.2010 als unzulässig verworfen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten im Ausgangsverfahren über vom Kläger zur Insolvenztabelle angemeldete und vom beklagten Insolvenzverwalter bestrittene Lohnforderungen.

Der Kläger macht dabei in Höhe von 84.128,99 EUR brutto Ansprüche in Höhe der Differenz zwischen den Vergütungsansprüchen nach den Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie und den von der Gemeinschuldnerin tatsächlich gezahlten Vergütungen gemäß den vereinbarten „schlechteren” Zusatztarifverträgen und Ergänzungsvereinbarungen für den Zeitraum 2003 bis 2007 geltend. Hierzu zählen Entgeltdifferenzen zwischen der 35- und 40-Stunden-Woche, entsprechend höheres Urlaubsgeld, 13. Monatsentgelt, nicht ausbezahlte Guthabenstunden und eine ERA-Strukturkomponente.

Das Arbeitsgericht München – Kammer Weilheim – hat mit am 24.02.2010 verkündeten Endurteil die Klage abgewiesen.

Das Urteil wurde an die für den Kläger bestellten gewerkschaftlichen Prozessbevollmächtigten der D. GmbH ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 27.07.2010 zugestellt.

Das Urteil, das entsprechend der Konstatierung der Geschäftsstelle (Bl. 163 d. A.) am 26.07.2010 abgesandt wurde, enthält folgende Rechtsmittelbelehrung:

„Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil kann der Kläger Berufung einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 600,00 übersteigt.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat ab Zustellung dieses Urteils schriftlich beim

Landesarbeitsgericht München

Winzererstraße 104

80797 München

eingelegt werden.

Die Berufung muss innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich begründet werden.

Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift müssen jeweils von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Sie können auch von dem Bevollmächtigten einer Gewerkschaft, eines Arbeitgeberverbandes oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände unterzeichnet werden, wenn sie für ein Mitglied eines solchen Verbandes oder Zusammenschlusses oder für den Verband oder den Zusammenschluss selbst eingelegt wird.

Mitglieder der genannten Verbände können sich auch durch den Bevollmächtigten eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung vertreten lassen.”

Gegen das vorgenannte Endurteil ließ der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten der D. GmbH vom 24.08.2010 Berufung einlegen, die am 25.08.2010 am Landesarbeitsgericht München eingegangen ist.

Der Berufungsschrift beigelegt war eine Fotokopie des vollständigen Endurteils, welche auf dem Rubrum den Eingangsstempel der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 27.07.2010 und darunter u. a. die handschriftlichen Vermerke „RMF 24.8.10 gelöscht” und „RMF 27.8.10 not.” enthält.

Mit Schreiben vom 26.08.2010 wurden die Klägervertreter darauf hingewiesen, dass die einmonatige Frist zur Einlegung der Berufung spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung des Urteils beginne, sodass die Berufungsfrist daher vorliegend am 24.08.2010 abgelaufen gewesen sei, weshalb die am 25.08.2010 eingegangene Berufung verspätet sei.

Mit Schriftsatz vom 10.09.2010, eingegangen am selben Tage, lässt der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch vorsorglich erneute Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 24.02.2010 beantragen.

Er begründet den Wiedereinsetzungsantrag damit, dass die Fristversäumnis auf einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung durch das Erstgericht beruhe. Nach dem Gebot...

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