Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Auslauffrist

 

Leitsatz (amtlich)

Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine außerordentliche fristlose Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ist auch gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer in aller Regel nach § 626 Abs. 1 BGB unzulässig. Eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist kommt allerdings dann in Betracht, wenn ein wichtiger Grund zur Kündigung gerade darin zu sehen ist, dass wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung der Arbeitgeber den Arbeitnehmer notfalls bis zum Erreichen der Pensionsgrenze weiterbeschäftigen müsste und ihm dies unzumutbar ist. Eine solche außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist, die die ausgeschlossene ordentliche Kündigung ersetzt, kommt allerdings nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Augsburg (Urteil vom 19.07.2005; Aktenzeichen 6a Ca 2399/04)

 

Tenor

I.

Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichtes Augsburg vom 19.7.2005 – 6a Ca 2399/04 – abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 14.5.2004 nicht zum 31.12.2004 aufgelöst wurde.
  2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger als amtlichen Sachverständigen für Kraftfahrzeugwesen in der Niederlassung der T. in A. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreites weiter zu beschäftigen.
  3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 6.787,91 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 30.12.2004 zu bezahlen. Im Übrigen wird der Zahlungsantrag abgewiesen.
  4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechsstreites zu tragen.
  5. Der Streitwert wird auf EUR 35.587,91 festgesetzt.

II.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger, geboren am, verheiratet und Vater von drei Kindern, Diplom-Ingenieur, ist seit 15.5.1975 beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger, dem T. beschäftigt. Bis Februar 1984 war er auf dem Gebiet der Bauüberwachung von Kernkraftwerken eingesetzt, seit Februar 1984 als amtlich anerkannter Sachverständiger für den Kraftfahrzeugverkehr. Das Monatsentgelt des Klägers betrug zuletzt circa EUR 7.200,–.

In Ziff. 12 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 7./14.5.1976 ist unter anderem geregelt:

„Nach Erfüllung der Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 3 Versorgungsstatut, die mit Eintritt in die Dienste des T., also ab dem 15.5.1975 zu laufen beginnt, kann das Dienstverhältnis nur noch vom Arbeitnehmer ordentlich gekündigt werden. Die Kündigung hat schriftlich unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist zum Ende des Kalenderhalbjahres zu erfolgen. Unberührt davon bleibt das Recht beider Vertragsteile zu einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grunde gemäß § 626 BGB.”

Im „Versorgungsstatut” über die betriebliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für die Angestellten des T. (Fotokopie Bl. 101/102 d. A.), dem unstreitig auch der Kläger unterfällt, ist unter § 4 Ziff. 2 geregelt:

„Aktiven Angestellten kann, sobald sie die Wartezeit erfüllt haben, nur noch aus wichtigem Grund im Sinne des § 626 BGB gekündigt werden. Entfällt eine Beschäftigungsmöglichkeit wegen Wegfalls oder Einschränkung eines Tätigkeitsgebietes des Vereins, so kann der betroffene Angestellte unter sinngemäßer Anwendung der jeweils gültigen beamtenrechtlichen Vorschriften des Staates Bayern in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Es kann ihm jedoch jedes Einkommen aus anderweitiger Erwerbstätigkeit angerechnet werden.”

Mit Wirkung zum 1.7.1996 ist der Teilbereich beim Beklagten, in dem der Kläger als Kfz-Sachverständiger eingesetzt war, auf die neu gegründete T. im Wege des Teilbetriebsüberganges übertragen worden. Der Kläger hat mit Schreiben vom 26.7.1996 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf diese GmbH widersprochen.

Mit Schreiben vom 1.8.1996 hat die für den Beklagten in Personalangelegenheiten zwischenzeitlich tätige T. bei der Beklagten nachgefragt, ob für den Kläger beim Beklagten eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Der Beklagte seinerseits hat daraufhin mit Schreiben vom 7.8.1996 mitgeteilt, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers bei ihm nicht möglich sei. Daraufhin hat der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger durch Schreiben vom 9.10.1996 aus wichtigem Grund mit einer Auslauffrist zum 30.6.1997 gekündigt.

Das Arbeitsgericht München hat durch Endurteil vom 9.4.1998 33 Ca 16478/96 rechtskräftig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 9.10.1996 nicht aufgelöst wurde.

Mit Schreiben vom 11.8.1998 (Fotokopie Bl. 93/94 d. A.) teilte die T. S. dem Kläger mit, dass er – infolge des rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichtes München – ausschließlich für die T. tätig werde, bei der auch die fachlichen und disziplinarischen Arbeitgeberrechte lägen. Betriebsverfassungsrechtlich sei der Kläger der T. zugeordnet, da er dort tatsächlich und dauerhaft tätig werde. Er sei nur dort wahlberechtigt und wählbar. Der Klä...

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