Entscheidungsstichwort (Thema)
Kürzung der Jahressonderzahlung einer arbeitsunfähig erkrankten und verrenteten Arbeitnehmerin. Unbegründete Klage auf ungekürzte Jahressonderzahlung bei Nichtgewährung von Urlaub aufgrund Arbeitsunfähigkeit und entsprechend gezahlter Urlaubsabgeltung
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 TV-L vermindert sich der Anspruch auf die Jahressonderzahlung um 1/12 für jeden Kalendermonat, in dem die Beschäftigte keinen Anspruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts nach § 21 TV-L hat; § 21 TV-L wiederum verweist in § 21 Satz 1 TV-L auf die Fälle der Entgeltfortzahlung nach § 22 Abs. 1 (Krankheitsfall), § 26 und § 27 TV-L.
2. Die Vorschriften der §§ 26 und § 27 TV-L regeln die Urlaubsansprüche hinsichtlich des Erholungsurlaubes sowie des Zusatzurlaubes; gezahlte Urlaubsabgeltung ist nicht als Entgelt oder Entgeltfortzahlung im Sinne der tariflichen Vorschriften zu verstehen, da es sich um einen reinen Zahlungsanspruch für nicht genommenen Urlaub handelt, der erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht.
3. Bringt die Arbeitnehmerin Urlaub nicht ein und wird ihr Urlaub auch nicht gewährt, erwirbt sie in diesem Zeitraum keinen Anspruch auf Urlaubsentgelt; dieser Anspruch entsteht erst dann, wenn Urlaub eingebracht wird.
4. Kann die Arbeitnehmerin aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit Urlaub nicht einbringen, erwirbt sie auch keinen Urlaubsentgeltanspruch, so dass tatsächlich kein Anspruch auf Entgelt oder Entgeltfortzahlung besteht; eine auf Grundlage des durchschnittlichen monatlichen Entgelts in den Kalendermonaten Juli, August und September gewährte Jahressonderzahlung ist demnach entsprechend zu kürzen.
5. Ersetzt die Jahressonderzahlung das Urlaubsgeld unter Aufstellung neuer Voraussetzungen, kommt es nur auf diese und nicht auf den Gedanken des Zwecks etwa des Urlaubsgeldes an.
Normenkette
TV-L § § 20 ff., § 20 Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 01.10.2013; Aktenzeichen 30 Ca 2775/13) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München (Az.: 30 Ca 2775/13) vom 01.10.2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Anspruch der Klägerin auf Zahlung der vollständigen Jahressonderzahlung ohne die von dem Beklagten vorgenommene Kürzung.
Die Klägerin war seit dem 01.02.1996 beim Polizeipräsidium A-Stadt beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) anwendbar. Das zuletzt von der Klägerin erzielte Bruttomonatsgehalt gemäß Entgeltgruppe E 11 Stufe 5+ des TV-L betrug € 2.565,35. Mit Bescheid vom 02.11.2010 wurde das Vorliegen einer Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 80 festgestellt. Die Klägerin ist seit Mitte des Jahres 2011 arbeitsunfähig erkrankt. Mit Bescheid vom 22.11.2012 wurde der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung seit dem 01.08.2012 gewährt. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete mit Ablauf des 02.01.2013.
Aufgrund der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin wurden im Jahr 2011 152 Stunden Urlaubsanspruch auf das Jahr 2012 übertragen. Im Kalenderjahr 2012 konnte die Klägerin aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit keinen Urlaub nehmen. Es erfolgte eine Urlaubsabgeltung mit der Gehaltsabrechnung 02/2013 i.H.v. € 7.893,20 brutto.
Die Klägerin erzielte im Monat August 2011 Bezüge i.H.v. € 2.507,53 brutto.
Mit Schreiben vom 08.11.2012 teilte der Beklagte der Klägerin zunächst mit, dass für das Kalenderjahr 2012 eine Jahressonderzahlung i.H.v. € 167,17 brutto geleistet werde (1/12). Gemäß der Bezügemitteilung des Landesamtes für Finanzen vom 14.01.2013 wurde der Klägerin ein weiterer Anteil der Jahressonderzahlung i.H.v. 3/12 von € 2.006,02, d. h. i.H.v. € 501,50 brutto bezahlt.
In § 20 TV-L ist unter der Überschrift "Jahressonderzahlung" folgende Regelung enthalten:
"(1) Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.
(2) Die Jahressonderzahlung beträgt bei Beschäftigten in den Entgeltgruppen ... E 9 bis E 11 80 v.H. ... der Bemessungsgrundlage nach Absatz 3. ...
(3) Bemessungsgrundlage i.S.d. Absatzes 2 Satz 1 ist das monatliche Entgelt, das den Beschäftigten in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlt wird; ...
Protokollerklärung zu § 20 Abs. 3: ... Besteht während des Bemessungszeitraums an weniger als 30 Kalendertagen Anspruch auf Entgelt, ist der letzte Kalendermonat, in dem für alle Kalendertage der Anspruch auf Entgelt bestand, maßgeblich.
(4) Der Anspruch nach den Absätzen 1 bis 3 vermindert sich um 1/12 für jeden Kalendermonat, in dem Beschäftigte keinen Anspruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts nach § 21 haben. ... Die Verminderung unterbleibt ferner für Kalendermonate, in denen Beschäftigten Krankengeldzuschuss gezahlt wurde oder nur wegen der Höhe des zustehenden Krankengeldes oder einer entsprechenden...